Mord im Atrium
worden waren – größtenteils natürlich selber von Geburt Ausländer. Die Menschen, die am begierigsten darauf waren, patriotisch zu wirken, stammten aus Ober- und Niedergermanien.
Petronius verfluchte diese Entwicklung. Er sagte, die Vigiles hätten sowieso schon alle Hände voll zu tun, ohne Prügeleien an jeder Straßenecke. Die Saturnalien bedeuteten eine große Zunahme an Bränden, ausgelöst durch die enorme Anzahl festlicher Lampen in dafür ungeeigneten Häusern. Überall waren Kämpfe ausgebrochen, hervorgerufen durch Streitereien zwischen Freunden und Familienmitgliedern, noch vor diesem neuen Anfall barbarenfeindlicher Gefühle. Petro war froh, dass er wenigstens die Suche einstellen konnte, die er für mich in Gang gesetzt hatte. Ich bat ihn, den Kohortenkommandanten mitzuteilen, das geschehe aufgrund der schlechten Ergebnisse, ohne zu erwähnen, dass ich Veleda tatsächlich gefunden hatte. Ich wollte vermeiden, dass Kopfgeldjäger vor meiner Tür auftauchten.
»Na klar!«, rief Petronius, wobei es ihm anzudeuten gelang, ich sei selbst ein Kopfgeldjäger.
Immer noch bemüht, ihn abzulenken, fragte ich ihn, ob die Vigiles bei ihrer Suche auf irgendetwas Ungewöhnliches im Zusammenhang mit toten Landstreichern gestoßen seien. Er warf mir einen schiefen Blick zu, gestand aber gedehnt, dass es da ein Problem geben könnte. »Wir sind uns gewahr geworden, dass sich die Anzahl der Leichen, auf die niemand Anspruch erhebt, seit einiger Zeit erhöht hat.«
»Weiß Scythax davon? Oder ist er irgendwie darin verwickelt?«
»Natürlich nicht. Verrückte Vorstellung, Falco.«
»Hör mir zu. Er hatte die sehr frische Leiche eines entlaufenen Sklaven auf seinem Arbeitstisch liegen, als wir Lentullus zu ihm brachten. Laut Scythax legt jemand sie vor dem Wachlokal ab, aber die Geschichte stinkt, oder?«
»Was mich daran erinnert – mein Tribun will, dass Lentullus aus unserem Wachlokal entfernt wird.«
»Sag Rubella, er könne sich eine Festgirlande dahin stecken, wo es weh tut. Und beantworte bitte meine Frage.«
Petronius zuckte mit den Schultern und gab zu, es habe immer eine hohe Todesrate unter den Obdachlosen gegeben, seit er bei den Vigiles war. In letzter Zeit habe sich die Anzahl erhöht. Sie schoben es auf das Winterwetter.
»Und was kümmert das deinen Arzt?«
Petro rutschte unbehaglich herum, also hakte ich so lange nach, bis er damit aufhörte und kleinlaut eingestand: »Scythax interessiert sich dafür, warum die Landstreicher sterben.«
»Und wie macht er das?«
»Ich glaube«, antwortete Petronius mit schuldbewusstem Blick, »es ist schon vorgekommen, dass er die Leichen seziert hat.«
Ich nahm an, dass diese Information vertraulich zu behandeln sei. »Tote für Autopsien zu benutzen ist illegal, hat man mir gesagt.«
»Allerdings, und zu Recht! Wir wollen keine unnatürlichen Praktiken in Hinterhausleichenhallen.«
»Nein, viel besser, sie direkt in eurem Wachlokal durchzuführen.«
Auf mein Versprechen hin, es geheim zu halten, erzählte mir Petronius, was ich bereits wusste, nämlich, dass Scythax gelegentlich erlaubt wurde, die Leichen von Verbrechern mitzunehmen, die in der Arena gestorben waren, solange er alle wissenschaftlichen Forschungen während seiner Freizeit durchführte und darüber schwieg. Die Ausrede war, dass alles, was Scythax lernte, der Armee helfen konnte, verwundete Soldaten zusammenzuflicken. Auf jeden Fall fanden Obduktionen nur statt, wenn die hingerichteten Verbrecher keine Familie hatten, die Beschwerde einlegen würden, und wenn Scythax genug Schmiergeld zahlen konnte, um die Arenagehilfen zu bestechen.
»Also fördert er demnach das Ablegen toter Entlaufener an eurer Türschwelle, wenn der Nachschub aus der Arena versiegt. Macht er Werbung für seine Dienste? Jupiter, Petro, kauft er die Leichen? Und wenn ja – und darüber musst du nachdenken –, tötet dann jemand absichtlich die Landstreicher für Scythax?«
Petronius Longus fuhr hoch. »Quatsch, Falco. Scythax würde das niemals gutheißen. Außerdem werden viel zu viele entlaufene Sklaven tot aufgefunden.«
»Es ist also tatsächlich ein Problem? Glaubst du, ihr habt einen Serienmörder?«
»Ich halte es für möglich.«
»Und weil die Opfer Landstreicher sind, kümmert sich niemand darum?«
»Ich kümmere mich, Marcus.«
Die ganze Zeit hatte Veleda still dagesessen und uns mit ausdruckslosem Gesicht zugehört. Sie saß auf einem Korbstuhl wie dem, den Petro mit Beschlag belegte,
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