Mord im Atrium
Unterstützung, auf der Flucht – und dringend auf Hilfe angewiesen. Ihr einziges Glück ist, dass hier zwei Menschen sind, die Ihnen beide viel verdanken und Ihnen Hilfe anbieten.«
Veleda trat vom Wasser des Sees zurück, das weiter um ihren Rocksaum gewirbelt war. Sie schüttelte die Kleidungsstücke aus, wobei sie den feuchten Stoff von ihren Knöcheln weghielt. Ihr Kinn war gereckt. »Mir ist Zuflucht gewährt worden.«
Ich lachte. »Wie behandeln die lieben Priester Sie denn? Ich wette, sie hassen Sie. Sie mögen sich verpflichtet gefühlt haben, Sie aufzunehmen, nur weil einst laut einer Legende Diana in Tauris einer Bande heimatloser Amazonen Unterkunft gewährt hat. Aber glauben Sie mir, Ihr Anspruch ist bereits ins Wanken geraten. Wenn der Kaiser die Priester bittet, Sie herauszugeben, werden sie es tun. Erzählen Sie mir nicht, dass es die Regeln des Heiligtums brechen würde. Die einzige Regel, auf die es ankommt, sieht so aus: Der Kaiser wird versprechen, hier einen neuen Tempel oder ein Theater zu bauen, und die Priester werden entdecken, dass sie Ihretwegen überhaupt kein schlechtes Gewissen haben.«
Falls es mir jedoch gelang, Veleda aus eigenen Stücken zurück nach Rom zu locken, bedeutete das natürlich, dass Vespasian sich das Geld für einen neuen Tempel sparen konnte. Das war die Art von Gewinn, die dem unwirschen alten Kauz gefiel. Möglicherweise ließ er mir sogar eine unbedeutende finanzielle Dankesgabe zukommen.
»Warum macht Ihr Mann das?«, wollte Veleda hitzig von Helena wissen. »Bringt es ihm Ruhm ein, mich auszuhändigen?«
»Nein«, erwiderte Helena sanft. »Das ist sein Beruf.« Bezahlung erwähnte sie nicht direkt. »Aber seine Ethik schließt moralische Beherztheit und Mitgefühl ein. Wenn Marcus Sie an den Kaiser ausliefert, wird er das tun, wann es ihm passt und fraglos auf seine Art. Also, Veleda, angesichts dessen, dass Sie sowieso nach Rom zurückgeschickt werden, wäre es besser, wenn Sie jetzt mit uns kämen. Marcus’ Stichtag ist das Ende der Saturnalien. Es wird ihm gefallen, seinen Auftrag erst am letzten möglichen Tag abzuschließen. Daher können wir uns kurze Zeit um Sie kümmern. Wir werden Zosime holen, damit sie Ihre Gesundheitsprobleme behandelt. Ich verspreche Ihnen, dass ich persönlich mit dem Kaiser über Ihre missliche Lage reden werde. Bitte tun Sie es. Bitte kommen Sie mit und verbringen Sie die Saturnalien mit unserer Familie in unserem Haus.«
Die Seherin hielt Helena Justina für verrückt. Ich hatte da selbst so meine Bedenken. Aber auf diese Weise überredeten wir Veleda, nach Rom zurückzukehren.
Es gab ein paar logistische Spitzfindigkeiten.
Da Veleda freiwillig mitkam, wäre es unhöflich gewesen, sie in Ketten zu legen oder zu fesseln, obwohl ich tatsächlich ein Seil an meinem Sattelknopf mitgebracht hatte. Auch würde ich sie nicht auf einem unserer Pferde reiten lassen, denn ich wollte sie schließlich nicht mit einem lässigen keltischen Winken in die Freiheit galoppieren sehen. Ich befahl ihr, in der Kutsche mitzufahren – nach einem angespannten Augenblick, als sie der eisigen Claudia Rufina begegnet war.
Wir brauchten sie einander nicht vorzustellen. Die Konfrontation war kurz. Verächtlich funkelte die dunkle Baeticanerin Claudia die goldhaarige Germanin Veleda an, die ihrerseits zurückstarrte. Mit fiel ein, dass Claudia erst vor kurzem die Beherrschung verloren und Justinus eine gescheuert hatte. Wenn wir sie ließen, würde sie sich wahrscheinlich auf die Priesterin stürzen. Ihre Augen blitzten. Ich fragte mich, ob sie das geübt hatte, während ihre Dienerinnen ihr einen Handspiegel vorhielten. Einen Moment lang rechnete ich damit, dass es hier am Seeufer zu einem Zickenkrieg kommen würde. Eine Aussöhnung zwischen diesen beiden stand außer Frage, und selbst Helena versuchte sich nicht in ihrer üblichen Rolle als Friedensstifterin. Sie verabscheuten einander zutiefst. Veleda betrachtete Claudia als jämmerliche römische Kollaborateurin aus einem unterworfenen Volk, Claudia betrachtete die Seherin als Wilde. Seltsamerweise betrachtete meine Pflegetochter Albia, die britannisch wie auch römisch sein konnte oder eine halbblütige Mischung, die beiden mit ihrem fragendsten Blick, als hielte sie beide für Barbaren.
Claudia wickelte sich eng in ihre Stola und zischte laut. Sie weigere sich, auch nur in der Nähe dieser Frau zu sein. Veleda schüttelte mit verächtlichem Blick ihren Mantel aus und gurrte, sie fahre
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