Mord im Atrium
eingewickelt in einen Schal, die Füße auf einem Fußbänkchen. Hätte sie noch einen Wollkorb zu ihren Füßen gehabt, ein Kind auf der Armlehne und einen zahmen Vogel im Schoß, wäre sie das Abbild einer klassischen römischen Matrone gewesen. Man hätte sagen können, sie wäre zu blond, aber viele verheiratete Frauen, die ich kannte, hatten sich auf mysteriöse Weise in Goldköpfchen verwandelt, sobald sie die Moneten ihrer Männer in die Hände bekamen.
Die konzentrierte Art, in der sie uns zuhörte, hatte meine Aufmerksamkeit erregt. Ich bezweifelte, dass sie bloß von unserem talentierten Vortrag bezaubert war. »Veleda, Sie waren bei den Behandlungsgängen des Aesculapius-Tempels dabei. Die finden eine Menge dieser Leichen. Können Sie uns etwas dazu sagen?«
»War sie?«, platzte Petronius heraus. Da ich annahm, dass ihn der Gedanke erboste, sie wäre locker durch die von seiner Kohorte überwachten Straßen spaziert, schenkte ich ihm keine Beachtung.
»Ich habe nichts davon gesehen.« Veleda enttäuschte mich. Selbst wenn sie etwas gesehen hätte, ließ Dankbarkeit für den Tempel sie schweigen.
Ich beschloss, dass es an der Zeit war, mein ursprüngliches Vorhaben wieder aufzunehmen und sie zum Tod von Scaeva auszuquetschen.
Petronius Longus überkreuzte seine bestiefelten Füße auf einem niedrigen Tisch, verschränkte seine Hände hinter dem Kopf und beobachtete mein Vorgehen. Sein Blick sollte mich nervös machen. Ich kannte ihn viel zu gut und ignorierte ihn einfach.
Ich erklärte Veleda, einer der Gründe, warum ich Helenas Vorschlag zugestimmt und sie in mein Haus aufgenommen hätte, bestehe darin, dass ich hoffte, die Zeit, bevor ich sie der Gerechtigkeit – hupps, bevor ich sie den Behörden – übergab, dazu nutzen zu können, herauszufinden, was wirklich im Haus von Quadrumatus passiert sei. Falls sie unschuldig sei und Scaeva nicht geköpft habe, hätte ich vor, sie von der Anschuldigung zu entlasten. Sie schien weniger beeindruckt von diesem großzügigen Angebot, als sie meiner Ansicht nach hätte sein sollen. War man bereits für den Tod Tausender römischer Soldaten angeklagt, kam es vielleicht auf einen weiteren Mord in der Anklageschrift nicht mehr so an.
»Ich möchte die Wahrheit erfahren.«
»Ich erinnere mich.«
Sollte sie auch. Schließlich war ich einst tagelang marschiert, um sie unter anderem über das Schicksal eines entführten Legaten zu befragen. Inzwischen war es fast zehn Jahre her, dass dieser Mann in Germanien verschwunden war, doch falls jemals eine Beziehung mit dieser Frau zu freundlich wurde, sollte man sich an das erinnern, was mit dem Legaten passiert war. Veleda hatte ihn nicht getötet (laut ihrer Version), hatte nicht mal seinen grausigen Tod durch Ertrinken in einem Sumpf befohlen, gefesselt und mit einer Stange niedergedrückt. Trotzdem, die treuergebenen Stämme, die ihr folgten, hatten einen entführten römischen Armeekommandeur jedenfalls als passendes »Geschenk« für sie erachtet. Ob sie nun erwartet hatten, dass sie ihn verspeisen, vergewaltigen, ihn selber töten oder in einen goldenen Käfig sperren und ihm beibringen würde, Kinderreime zu zwitschern, war nie ganz klargeworden, aber eines war gewiss: Selbst wenn die launischen Entführer ihm nicht den Garaus gemacht hätten, bevor er Veleda erreichte, hätte sie ihn ihren Göttern geopfert und seine Knochen in eines dieser schulterhohen Ossarien gesteckt, die meine Gefährten und ich im Wald gesehen hatten. Das war es, was diese Frau, die jetzt ruhig in meinem Haus saß, einst gewesen war. Vielleicht war sie es immer noch. Ja, da sie kein Anzeichen von Reue zeigte, sollte man das »vielleicht« durch ein »wahrscheinlich« ersetzen.
»Sie haben mir gesagt, dass Sie Scaeva nicht getötet haben.« Vor fünf Jahren hatte mir Veleda versichert, den Legaten ebenfalls nicht getötet zu haben. Das konnte eine Lüge gewesen sein. Durch das Aufheizen der Blutgier ihrer Gefolgsleute war sie sicherlich für seinen Tod verantwortlich. Sie könnte auch wegen Scaeva lügen. »Wissen Sie, wer ihn getötet hat? Oder warum?«
»Nein.«
»Waren Sie dort, als er starb?«
»Nein.«
»Aber Sie sahen seinen abgeschlagenen Kopf im Atriumbecken liegen?«
Vielleicht zögerte Veleda. Petronius zuckte zumindest zusammen, als er es sich vorstellte. »Ich habe den Kopf nicht gesehen, Falco.« Auf mein irritiertes Knurren hin fügte Veleda rasch hinzu: »Ich bin an dem Tag nicht durch das Atrium gekommen,
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