Mord im Atrium
dieser Junge noch am Leben.« Er wäre ein Zeuge gewesen, aber das war es nicht, was mich so wütend machte. »Er ist ermordet worden, um ihn zum Schweigen zu bringen. Sagen Sie mir nicht, er wäre bloß ein Sklave. Er war ein Mensch und hatte ein Recht auf das Leben. Er war Ihr Sklave, war einer Ihrer Familie. Sie hätten ihn beschützen müssen. Das nennen Sie ein sicheres Haus? Wohl kaum! Sie führen ein Haus der Zügellosigkeit, mein Herr!«
Angewidert machte ich auf dem Absatz kehrt und ließ sie stehen.
Ich ging wieder hinein.
Ich durchsuchte den Lagerraum und schloss von außen die Tür ab. Den Schlüssel behielt ich.
Ich fand Quadrumatus Labeo. »Dieses Haus liegt außerhalb von Rom und fällt daher theoretisch nicht in den Zuständigkeitsbereich der Vigiles. Dank der mir von Claudius Laeta in der Veleda-Affäre verliehenen Befugnis ordne ich an, dass der Tod Ihres Flötenspielers den städtischen Behörden gemeldet wird. Wir werden nicht dieselben haarsträubenden Fehler machen, die zugelassen wurden, als Gratianus Scaeva starb. Diesmal werden der Tatort und die Leiche peinlich genau untersucht werden, und falls sich Zeugen weigern zu kooperieren, werden sie in Gewahrsam genommen. Sie selbst werden dafür verantwortlich sein, sicherzustellen, dass die Mitglieder Ihres Haushalts uns die Wahrheit sagen. Jemand wird hergeschickt werden, um die Leiche professionell zu untersuchen. Bis dahin bleibt dieser Raum verschlossen. Notieren Sie den Namen von jedem, der einzudringen versucht, und sperren Sie sie für Verhöre ein.«
Petronius Longus würde mir dafür seinen verdrießlichen Blick zuwerfen. Aber Marcus Rubella sammelte bereits für das nächstjährige Gelage der Vierten Kohorte. Wenn ich ihm eine anständige Geldspende zukommen ließ – auf der für Laeta bestimmten Kostenabrechnung meines Auftrags natürlich entsprechend verklausuliert –, würde mir Rubella seine Hilfe nicht verweigern. Ich wollte, dass sich ein Arzt den toten Flötenspieler anschaute. Dieses Haus war voll mit Medizinern, aber ich traute keinem von denen. Ich wollte Scythax. Ich würde herausfinden, wie der Flötenspieler gestorben war, selbst wenn wir dazu eine illegale Autopsie durchführen mussten.
LVII
I ch schaffte es kaum rechtzeitig zurück, um herausgeputzt zum Essen bei meiner Schwester Junia abgeschleppt zu werden. Ich versuchte, Helena klarzumachen, dass ich für das alles zu müde, zu niedergeschlagen und zu angespannt sei. Die Erwiderung darauf hätte ich mir denken können. Überall in Rom wurden unglückliche Jungs gezwungen, an Festen mit langweiligen Verwandten teilzunehmen. Wollte man dem aus dem Weg gehen, musste man das vorher sorgfältig planen.
Es wurde ein durchaus netter Abend, wenn man von diversen Kleinigkeiten absah – meine Schwester Junia konnte nicht kochen; Gaius Baebius hatte kein Näschen für Wein; ihr überdrehter Sohn Marcus – König für einen Tag – hatte keine Ahnung, was los war; meine kostbaren kleinen Mädchen wussten genau, was sie wollten, Prinzessinnen sein, die sich schlecht benahmen; und die wundervolle Junia hatte Papa eingeladen. Helena bat ihn, uns alles über seine Operation zu erzählen, weil sie wusste, dass mich das fröhlicher stimmen würde. Was es auch tat. Besser noch, die zimperliche Junia war total angeekelt von den grausigen Details. Und das sogar noch, bevor mein Vater anbot, uns die Ergebnisse vorzuführen.
Er zog mich irgendwann beiseite, und ich dachte, er habe mich für das geschmacklose Tunikalüpfen ausersehen, aber er wollte mir nur zukrächzen, er habe die Ohrringe mitgebracht, die er mir andrehen wollte. Ich kaufte sie. Dann weigerte ich mich, die angebotene Zurschaustellung seiner Wunden über mich ergehen zu lassen.
Er schien allerdings einen Freiwilligen gefunden zu haben, denn bald mussten wir eine Stunde lang ertragen, wie der dreijährige Marcus Baebius Junillus herumrannte und allen seinen nackten kleinen Po zeigte. »Wir können ihn nicht daran hindern!«, keuchte Junia, entsetzt über ihr Dilemma. »Er ist unser König für einen Tag.« Der kleine Marcus war taubstumm, hatte aber ein Talent für Schabernack.
Ungeachtet seiner Rechte schnappte sich Helena irgendwann den aufgeregten Jungen, packte ihn sich auf den Schoß und brachte ihn dazu, für die Geistergeschichten ruhig zu sitzen. Die Kinder waren alle zu jung dafür. Die Sache wurde verzwickt.
Papa, Gaius und ich verzogen uns, wie bei solchen Anlässen üblich, auf die
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