Mord im Atrium
Zum ersten Mal wandte ich meine Überredungskünste auf einen Geist an. Sein Ektoplasma hatte mehr Substanz, als er vorgab. Nach mehreren Bechern Wein war ich nicht allzu sanft; mein plötzlicher Zugriff erzeugte ein befriedigendes Quieken.
»Hör auf Fisimatenten zu machen, oder du bist wirklich tot, und ich denke nicht daran, dich zu begraben.« Ich hatte keine Zeit für Finessen. »Hör zu, Mitglieder meiner Familie, von denen einige jung und empfindsam sind, sammeln sich um uns, um zu sehen, was hier los ist. Ich muss dich schnell und sehr hart zusammenschlagen …« Zoilus kapierte. Er hatte sich lange genug unter Landstreichern herumgetrieben und kannte sich daher mit ungeduldigen Männern und dem Schmerz aus, den sie zufügen konnten.
Er gab sich geschlagen und antwortete mir vernünftig. Er wusste von Entlaufenen, die nachts gestorben waren, obwohl sie gesund wirkten, oder einigermaßen gesund. Ich fragte ihn, ob er gesehen habe, wie jemand ermordet wurde. Er stöhnte ein bisschen, was ich für eine Bestätigung hielt. Ich fragte, ob der Mörder eine Frau oder ein Mann sei. Zu meiner Überraschung sagte er, es sei ein Mann. Das war eine der wenigen Aussagen, die ich ihn mit Nachdruck machen hörte.
»Bist du sicher? Und was hat Zosime damit zu tun?«
»Woo-hoo«, jammerte er leise.
»Ach, hör doch auf, Zoilus. Reiß dich zusammen, du Unhold! Wenn ich ihn dir zeige, könntest du den Mann dann identifizieren?«
Aber Zoilus war zusammengebrochen. Den Kopf in seinem Geistergewand verborgen, zuckte er herum und stöhnte nur noch mehr. Schließlich lockerte ich dummerweise meinen Griff, als Junia erneut unterbrach und ein Tablett mit zweifelhaft aussehenden Häppchen hereinbrachte. Zoilus stürzte plötzlich los, durch die Doppeltüren und über die selbstgebaute Sonnenterrasse, die der Stolz und die Freude von Gaius Baebius war. Meine Hände waren zu schmierig, ihn festzuhalten, und mein Wille versiegte ebenfalls. Auf seiner Flucht schnappte er sich noch die Börse mit dem vereinbarten Honorar von Junia, missachtete aber ihre Häppchen. Vielleicht hatte er erkannte, dass die berühmten versalzenen, zu wenig gewürzten Sesamkugeln meiner Schwester so hart wie Plutos Herz im Hades waren.
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SATURNALIEN ,
SECHSTER TAG
Elf Tage vor den Kalenden des Januar (22. Dezember)
LVIII
A m sechsten Tag der Saturnalien kommt es oft zu einer Wiederbelebung der Feiernden. Jene, die schon in den letzten fünf Tagen nicht mehr bei Verstand gewesen sind, sterben entweder an Alkohol und Ausschweifungen oder lernen mit ihrem Zustand zu leben. Ich hatte das Gefühl, die schlimmsten Aspekte durchleiden zu müssen, ohne die Möglichkeit zu bekommen, Spaß zu haben. Wegen meiner Arbeit verpasste ich die guten Veranstaltungen und war für die miesen zu nüchtern.
Junias Käsekuchen stieß mir sauer auf. Helena rieb mir die gekrümmten Schultern und gurrte mitfühlend.
»Der Tod des Flötenjungen bedrückt mich.«
»Ich weiß, Liebster. Vielleicht bekommt Mutter heute Einlass ins Haus der Vestalinnen. Sie weiß, dass wir heute Abend zu ihnen kommen.«
»Tun wir das?«
»Ich bin sicher, dass ich es dir gesagt habe, Marcus.«
»Ich bin sicher, du dachtest, du hättest es getan.«
»Oh, mach doch bitte kein Theater. Mutter versucht, für Claudia ein normales Fest zu veranstalten. Sie wird ihr Bestes für dich tun. Ihr ist klar, dass du fragen wirst, ob sie mit Ganna gesprochen hat.«
Ein »normales Fest für Claudia« mochte zwar Julia Justas Absicht sein, doch ihre exzentrische Tochter drohte das in Gefahr zu bringen. Helena hatte ein schlechtes Gewissen, weil wir die Seherin an den letzten beiden Abenden allein gelassen hatten, und hatte daher vorgeschlagen, Veleda diesmal mitzunehmen.
»Damit riskierst du Ärger. Und der Hintergedanke dabei? Du glaubst, wenn Claudia hart genug zuschlägt, gibt Veleda den Löffel ab, und mein Problem wird beendet sein?«
»Verzweiflung! Irgendwie müssen wir die Sachen klären, Marcus.«
Ich sagte, ich würde erst mal klären, was es zum Frühstück gebe. Das stellte sich als Honig auf einem braunen Brötchen heraus, aber ich verspeiste es unterwegs. Petronius Longus hatte mir eine Nachricht geschickt, zum Haus des Arztes Mastarna zu kommen. Dabei ging es nicht darum, Petro bei einer medizinischen Konsultation zu helfen. Scaevas Doktor hatte sich umgebracht.
Auf dem Weg dorthin kam ich an der Bibliothek des Pollio vorbei und sinnierte darüber, wie oft ich beim ersten
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