Mord im Atrium
Morgenlicht von den Vigiles herausgerufen worden war. Verdächtige Todesfälle geschahen oft bei Nacht. Entweder das, oder neugierige Nachbarn benachrichtigten das Wachlokal erst im letzten Moment, damit sie mit ruhigem Gewissen zu Bett gehen konnten. Manchmal fanden die Patrouillen die Leichen auch einfach nur auf ihren Runden.
Als ich das Haus erreichte, waren die Ermittlungen so gut wie abgeschlossen. »Dein Name tauchte auf«, teilte mir Petro verdrießlich mit. Er missbilligte es stets, wenn ich in einen seiner Fälle verwickelt war.
Was hier passiert war, schien sehr offensichtlich zu sein. Mastarna war von seiner Haushälterin gefunden worden, der schiefgewachsenen Zwergin, die ich schon früher in der eleganten Wohnung hatte herumwuseln sehen. Sie stand jetzt unter Schock. Manchmal, wenn sie unter Rückenschmerzen litt, hatte Mastarna ihr ein »Tonikum« gegeben, damit sie besser schlafen konnte und die Schmerzen nachließen. Sie musste gewusst haben, dass er die Angewohnheit hatte, sich ebenfalls mit Alraune zu betäuben, doch mit einem ganzen Krug voll Gift hatte sie nicht gerechnet.
»Wir wissen, dass er es selbst getan hat«, bestätigte Petronius. »Die klassische Nummer. Er hat einen Abschiedsbrief hinterlassen.«
»Sag bloß nicht, dass mein Name da drin aufgetaucht ist.«
»Kluger Junge. ›Es gibt keinen Ausweg. Falco weiß alles. Ich bitte um Vergebung.‹ Was soll das denn heißen?«
Ich setzte mich, um nachzudenken. Seine Verzweiflung konnte daher rühren, dass ich gestern verkündete hatte, ich stünde kurz davor, Scaevas Mörder zu benennen. Petro und ich betrachteten den Etrusker, der auf seiner Leseliege lag. Die Toga, in die er sich so pompös gehüllt hatte, als Helena und ich ihn besuchten, lag jetzt in einem zerknitterten Haufen auf dem Boden, eines der Zeichen dafür, dass er gequält durchs Zimmer gelaufen war, bevor er sich auf der Liege ausstreckte, einen Krug mit dunkler Flüssigkeit neben sich. Auf dem Tablett stand ein sauberer Becher, unbenutzt. Er hatte direkt aus dem Krug getrunken. Dann hatte er das wertvolle Gefäß quer durch den Raum geschleudert. Tropfen zeigten die Flugbahn an. Einer der Vigiles rieb an einem Fleck auf den Dielenbrettern. Petro versetzte ihm gerade rechtzeitig einen Tritt, bevor der Mann seinen Finger ablecken konnte.
Petronius wusste mehr, als er zunächst enthüllt hatte, selbst mir. Mastarna war gestern Abend gestorben. Davor hatte ihn ein Kollege besucht, der ihn stark verstört hatte. Die Haushälterin konnte sich keine Namen merken, aber sie sagte, dieser Medizinerkollege sei Grieche.
»Muss Cleander sein. Ein gehässiger Kerl. Und er machte den Eindruck, als wüsste er etwas – muss Mastarna betroffen haben.«
Es hatte einen kurzen Streit gegeben, dann war Cleander gegangen. Mastarna verließ zweimal das Haus, schien erregt und sagte, er wolle sich Rat bei Freunden holen, war aber entmutigt zurückgekommen, weil sie nicht daheim waren. Er bat um Schreibmaterial und schickte seine Haushälterin nach Hause; sie wohnte nicht bei ihm. Sie sagte, er sei ein sehr zurückgezogen lebender Mann gewesen. Petro und ich wechselten Blicke. Beunruhigt war die loyale alte Schachtel früh aufgestanden und hergekommen, um nachzusehen. Als sie keine Antwort bekam, geriet sie in Panik. Da sie mit dem Schlimmsten rechnete, schickte sie nach den Vigiles.
»Einer seiner Freunde tauchte auf, um zu sehen, was Mastarna gestern gewollt hatte. Anscheinend ist er rumgerannt und hat wie wild an Türen gehämmert. Der Kerl ist bereit, uns behilflich zu sein.« Petro hatte den Zeugen in einem anderen Zimmer untergebracht, zu dem er mich jetzt mitnahm.
Ich war erstaunt, Pylaemenes zu sehen. Der Traumtherapeut behauptete, Mastarna nicht gut zu kennen. Er sei überrascht gewesen, dass der Mann ihn gestern Abend so dringend hatte sprechen wollen. »Was für ein Schreck. Aedemon sagt, Mastarna wollte auch zu ihm.«
»Wissen Sie beide etwas, das Mastarnas Selbstmord erklärt?«
»Alle wissen es«, antwortete Pylaemenes. »Nachdem wir Sie gestern getroffen haben, muss dieser Drecksack Cleander hierhergekommen sein und ihm voller Häme berichtet haben, das Spiel sei aus. Die beiden standen immer auf schlechtem Fuß. Mastarna versuchte sich an Aedemon und mich zu wenden, verzweifelte dann aber … Jemand wird es Ihnen jetzt sowieso erzählen, also kann ebenso gut ich das tun. Ich weiß davon, Falco, weil ich selber ein wenig daran beteiligt war, da es einen Familienstreit
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