Mord im Atrium
sein sollten –, und dazu noch in Abwesenheit des Familienvaters. Ich fragte Anacrites eisig, ob er deine Erlaubnis eingeholt habe, das Haus zu betreten und zu durchsuchen. Ich schwör dir, dass er rot wurde. Als er ging, war seine Entschuldigung so schleimig, dass ich es kaum ertragen konnte.«
Ich hatte mich beruhigt. Helena Justina jemals zu einer unterwürfigen Partnerin zu machen, die meine Regeln befolgte, war unmöglich. Sie wusste, wie man mit einer Krise fertig wurde. Ich selbst hätte Anacrites an die dreckige Unterseite eines Gullydeckels gefesselt und ihn dort im Dunkeln mit Rattenköder in den Stiefeln hängen lassen. Durch ihr besonnenes Vorgehen hatte er sich selbst ins Unrecht gesetzt und musste befürchten, dass Helena oder ihr Vater sich beim Kaiser beschweren würde – und es war ihm nicht gelungen, die Seherin zu finden, obwohl er vermutete, dass ich sie hatte.
Helena fuhr fort. Sie genoss ihre Erzählung nach wie vor. »Nachdem er sich entschuldigt hatte, fragte ich ihn nach seinen Kopfschmerzen, wobei ich anklingen ließ, dass ich hoffte, sie wären unerträglich. Er lässt sich von diesem Cleander behandeln. Du wirst dich freuen zu hören, Marcus, dass ihm dabei Schröpfköpfe mit angezündeten Kräutern auf die Haut gesetzt werden und er offenbar auch kräftig zur Ader gelassen wird.«
Ich sagte, es sei an der Zeit, sich für das Abendessen umzuziehen. Helena meinte, es sei noch viel zu früh dafür. Ich ließ sie wissen, dass ich plante, mich zuerst zu entkleiden und eine ganze Weile entkleidet zu bleiben.
Später, in einem abgelegenen Teil des Hauses, zu einem unpassenden Moment.
»Da ist noch was, Marcus. Hier war heute Morgen einiges los. Petronius war da, um über den Flötenspieler zu berichten. Scythax scheint verwirrt zu sein und hat ihm eine Nachricht hinterlassen, die besagt, er hätte gemeint, hinzugezogen worden zu sein, weil der Junge auf der Straße gestorben sei wie die Landstreicher. Petro sagte, er müsse mit Scythax sprechen, um das klarzustellen. Er wird mit dir darüber reden, sobald er kann.«
»Verdammter Petro. Und verdammtes Reden …«
Einige Zeit danach.
»Liebling, ich sollte dir noch erzählen … deine Mutter will eine offizielle Abordnung zu Vespasian auf die Beine stellen, angeführt von ihrer alten Vestalin, wenn du das Gnadengesuch für Veleda einreichst.«
Schweigen.
Plötzliches Aufsetzen eines der Beteiligten.
»O Juno und Minerva, das meinst du doch wohl nicht ernst. Ich soll mich für die Seherin einsetzen, wenn meine Mutter dabei ist?«
»Und die griesgrämige Vestalin auch, Liebste. Dazu noch, falls die beiden sie zwingen können, so edelmütig zu sein, die arme Claudia Rufina …«
Verblüffte Beteiligte bricht zusammen und versteckt ihren Kopf unter dem Kissen. Anderer Beteiligter liegt bäuchlings da, erholt sich und denkt über die furchterregende Macht der Mütter nach …
»Claudia könnte das sogar tun, Marcus. Sie muss Quintus’ Liebe zurückerobern. Ich habe dir noch nicht erzählt, warum die Priester im Heiligtum von Nemi so unfreundlich zu uns waren. Wir gaben vor, wegen einer Fruchtbarkeitsbehandlung gekommen zu sein, wurden jedoch demaskiert, als sie erkannten, das Claudia bereits schwanger ist.«
Ich gab einen erstickten Laut von mir. »Was die Obrigkeiten von Nemi behaupten lässt, dass die Behandlung wirkt!«
»Die reinste Ironie, weil Claudia hoffte, das zu vermeiden. Alle fragten sie, warum sie nicht versuchen wollte, den kleinen Gaius zu entwöhnen. Der armen Claudia war eingeredet worden, sie wäre in Sicherheit, solange sie weiter stillt.«
»Dein liebreizender Bruder haut ja ganz schön auf den Putz. Ihr Erstes ist noch kein Jahr alt.«
Leicht verlegene Pause.
»Und, Marcus Liebling, da ist noch was, das ich dir erzählen sollte …« Olympus! Was ging da vor? »Ich weiß, es ist nicht das, was wir geplant hatten …«
Jeder Narr hätte sich denken können, worum es ging. »Du meinst, die Priester waren sauer, weil keine von euch teure rituelle Bäder und die Votivverkäufer brauchte? Ihr seid beide schwanger?«
»Ja. Ich auch, Liebling.«
Ich küsste Helena reumütig. »Das Leben wird ganz schön teuer. Wenn das mit eurer Abordnung zum Kaiser nicht klappt, werde ich Veleda aufs Kapitol zerren und eigenhändig erdrosseln müssen. Wir brauchen definitiv das Auftragshonorar.«
Pause.
»Freust du dich denn, Marcus?«
Wir hatten bereits zwei Kinder. Wie jeder Vater, der weiß, dass eine
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