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Mord im Atrium

Mord im Atrium

Titel: Mord im Atrium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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halbwüchsiges Mädchen ein Lächeln im Gesicht hat statt des üblichen finsteren Stirnrunzelns, sollte man sich meiner Ansicht nach glücklich schätzen und die junge Dame in Ruhe lassen. Doch Helena bekam einen nachdenklichen Ausdruck und rieb sich abwesend mit dem Handrücken die Stirn wie eine Frau, die schon genug um die Ohren hat. Ich grinste sie beruhigend an. Wie gewöhnlich schaute sie daraufhin noch besorgter.
    »Wo ist Nux?«
    »Versteckt sich. Wahrscheinlich in deinem Bett.«
    Helena und ich begaben uns dann mit Albia und den Kindern ins Speisezimmer, aßen jedoch noch nicht. Helena saß schweigend da, und ich wusste, warum sie sich unwohl fühlte.
    »Irgendwas stimmt hier nicht, Marcus.«
    »Zu perfekt. Sie halten uns für Idioten.«
    »Ich werde gleich mal …«
    »Nein, überlass das mir. Ich knöpf sie mir vor.«
    »Oh, ich liebe es, wenn du den Paterfamilias spielst …«
    Ich ging zurück in die Küche. Niemand hörte mich kommen, daher fand ich sie alle auf Bänken ausgestreckt, versorgt mit überquellenden Schüsseln doppelter Rationen, eindeutig bereit für eine Siesta, die den ganzen Nachmittag dauern würde, wie sie meinten. Bei meinem Eintreten glitt gerade ein Krug, der kein Wasser enthielt, zurück auf ein Bord und sah ganz unschuldig aus. Ich tat so, als hätte ich es nicht bemerkt. Gaudus war wenigstens so scharfsinnig zu wissen, dass ich es gesehen hatte.
    »Also hört mal zu. In unserem Haus gibt es kein ›sie und wir‹. Hier herrscht wohlwollende Demokratie. Unsere Sklaven werden geliebt und sind Teil unserer Familie, genau wie unsere militärischen Gäste. Helena Justina und ich möchten daher eine kleine Änderung einführen. Galene und Jacinthus, Gaudus und Scaurus, ihr vier kommt entweder mit und schließt euch uns für ein anständiges Mittagessen an, oder ich muss das Tablett zurücktragen, und wir anderen kommen zu euch herunter.«
    Vier feindselige Augenpaare starrten mich an. Ich wich nicht von der Stelle und befahl ihnen, sich Besteck zu holen. Sie wussten, dass ich ihnen auf die Schliche gekommen war.
    Ich war Römer. Genau wie Helena im Besitz der Schlüssel zu den Vorratsschränken war – die sie von nun an tatsächlich im Bund an ihrem Gürtel tragen würde –, war ich der Herr: Vater des gesamten Haushalts, Priester, Richter und König. Ich würde keine Küchenverschwörung zulassen. Es gab verdammt gute Gründe, eine Einrichtung auf römische Art zu führen – das verhinderte Aufruhr und Bankrott.
    Als eine große Familie nahmen wir gemeinsam ein sehr angenehmes Mittagsmahl ein.
     
    Helena warnte mich hinterher, wir müssten dafür sorgen, dass keiner dieser vier an den Saturnalien die Bohne des Königs für einen Tag bekam, sonst könnten sie sich mit größerem Schabernack rächen, als wir zu bewältigen in der Lage waren. Ich antwortete mit einem freundlichen Lächeln. Ich war an allen anderen Tagen König. Und ich war entschlossen, diese Bohne selbst zuzuteilen.

XVI
    H elena brauchte eine Verschnaufpause vom häuslichen Leben. Ich wies Galene an, auf die Kinder aufzupassen, und Albia, auf Galene aufzupassen. Albia stimmte bereitwillig zu; sie war die geborene Tyrannin. Wir zeigten Gaudus, wo die Bäckerei war. Hätte Galene ihn begleitet, wäre sie schwanger geworden, noch bevor das Gebäck im Ofen braun war, schätzte ich. Ich kam kaum mit der Herrschaft über meine erste Sklavengeneration klar, und es würde noch einige Zeit dauern, bis ich mich der Vorstellung einer Dynastie gewachsen sah.
    Ich hatte alle davon in Kenntnis gesetzt, dass wir in einer halben Stunde zurück seien, wenngleich wir planten, uns länger abzuseilen. (Nächstes Mal würde ich andeuten, stundenlang weg zu sein, dann aber unerwartet nach zehn Minuten zurückkehren.)
    Plötzlich begriff ich, warum es so viele misstrauische Sklavenbesitzer gab. Ich begriff auch, warum sie schlecht gelaunt waren, denn es ärgerte mich, dass die Sklaven und die Soldaten mich – einen gerechten, freundlichen, entspannten Burschen – in diese Lage brachten.
    Helena und ich standen auf dem Marmorufer und atmeten langsam die kühle Dezemberluft ein wie Gefangene, die den ersten frischen Hauch der Freiheit schnuppern. Dann machten wir uns zu Fuß zu unserer nächsten Befragung auf. Helena, die wie immer vorausdachte, hatte Zosime vom Aesculapius-Tempel überredet, ihr eine Wegbeschreibung zu Mastarna zu geben, dem Arzt, mit dem Zosime sich gestritten hatte und dessen Patient der junge Gratianus Scaeva

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