Mord im Atrium
Verstopfung verursachen und daher eine Hysterie, die sämtliche weiblichen Symptome erklärte, von Hämorrhoiden bis Fußpilz. Ihr verschlossenes Gesicht sprach Bände: Anzunehmen, eine Frau mit Kopfschmerzen hätte ihre Gebärmutter zwischen den Ohren, beweist, dass der Arzt anstelle eines Gehirns nur eine verfaulte Masse in der Birne hat. »Die Frau weigerte sich, eine innerliche Untersuchung durchführen zu lassen.« Als sich Helena vorstellte, wie Mastarna anbot, Veleda einer gynäkologischen Betatschung auszusetzen, zweifellos durchgeführt mit einem groben metallenen Instrument zur Spreizung der Vagina, holte sie wütend Luft.
Rasch warf ich ein: »Wie ich hörte, bat Veleda um eine Trepanation. War das Ihr Vorschlag?«
»Eine Trepanation wurde nicht durchgeführt.«
»Wären Sie dazu bereit gewesen?«
Mastarna wirkte ausweichend. »Zu einer Operation ist es nie gekommen.«
»Aber Sie haben darüber mit ihr gesprochen?«
»Nicht persönlich. Trepanation scheint in germanischen Kreisen eine Tradition zu sein, wurde mir berichtet, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass sie bei ungeschulten Barbaren oft erfolgreich verläuft. Veleda hatte sich erkundigt, ob einer der behandelnden Ärzte der Quadrumatus-Familie über das benötigte Wissen verfügte. Cleanders Fachrichtung verbietet Operationen, außerdem war er sowieso nicht bereit, eine Barbarin zu behandeln. Aedemon ist weniger aufgeblasen, ist aber ein Anhänger der Theorie, dass alle Krankheiten durch Fäulnis verursacht werden und mit Gesängen und Amuletten, mit Entschlackungen, Adstringenzien und Abführmitteln geheilt werden können …« Mastarnas Lippen kräuselten sich verächtlich. »Im Übermaß angewandt, kann das tödlicher sein als das Messer. Ich führe gelegentlich Bohrungen durch, um den Druck im Kopf zu vermindern …« Er hielt kurz inne. »Aber diesmal nicht.« Er schien sich unwohl zu fühlen. Vielleicht meinte er, ich würde ihn dafür kritisieren, für eine Staatsgefangene eine gefährliche Operation in Betracht gezogen zu haben.
»Und was ist dann passiert?«
»Eine andere Praktikerin wurde um Rat gefragt.«
»Die von Cleander empfohlen wurde? Zosime. Ihre Methoden klingen weniger radikal als das Schädelaufbohren.«
»Mag schon sein.«
»Trotzdem hatten Sie mit ihr eine Meinungsverschiedenheit über die angemessene Behandlung?«
Mastarna fand sein Selbstvertrauen wieder und wischte den Streit mit Zosime als unbedeutend beiseite. »An Krankheiten gibt es viele Herangehensweisen. Davon können alle oder auch nur einzelne wirksam sein. Zosime wurde von meinem Kollegen Cleander ausgebildet. Ihre Behandlungsweise und meine laufen einander zuwider.«
»Zosime wurde jedoch nicht erlaubt, ihre sanftere Behandlung anzuwenden?«, fragte Helena.
Anscheinend wollte Mastarna das nur ungern zugeben, ohne zu wissen, dass Zosime Helena mitgeteilt hatte, sie habe den Wink bekommen, Veledas Behandlung abzubrechen. »Das war eine Angelegenheit zwischen ihr und der Patientin. Und danach hat sich die Dame aus Germanien ja davongemacht, wie wir wissen.«
»Freie Arztwahl«, bemerkte ich. An Mastarnas Ausdruck war abzulesen, dass er diese Art von Freiheit für eine ganz schlechte Sache hielt.
Mir kam der Gedanke, dass Veleda, wenn sie Zosime vertraut hatte und mit der von ihr vorgeschlagenen sanften Behandlung fortfahren wollte, nach ihrer Flucht die Ärztin möglicherweise im Aesculapius-Tempel aufgesucht hatte. Als wir Mastarna verließen, verärgert über weitere unbefriedigende Antworten dieser schwärenden Pestbeule (Helenas Ausdruck), überlegte ich, ob wir über die Tiberinsel nach Hause gehen sollten. Das wäre allerdings ein Umweg gewesen. Und ich kam zu dem Schluss, dass, wenn Zosime bereit gewesen wäre, weitere Kontakte mit Veleda einzugestehen, sie das bereits Helena berichtet hätte, als sie gestern in unserem Haus war. Daher spürte ich am späten Nachmittag Clemens und die Soldaten bei ihrem Suchdienst auf und stellte sie für eine gründliche Durchsuchung des Tempels und der Krankenstationen ab. Falls Veleda dort war, würden die Jungs sie erkennen – zumindest hoffte ich das. Ich hatte sie bereits darauf vorbereitet, dass Veleda ihr Aussehen verändert haben könnte. Sie sollten die Frauen keinesfalls so unsanft behandeln, wie ich es bei den Prätorianern beobachtet hatte, aber sorgfältig Größe und Augenfarbe überprüfen, was sich beides nicht verändern ließ.
Sie fanden sie nicht. Und wie mich Helena hinwies,
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