Mord im Atrium
Ich wartete mit geschlossenen Augen. Ich hatte das Gefühl, dass seine monotone Serenade direkt auf mich gezielt war. Vermutlich wäre ich mit einem einzelnen Gegner fertig geworden, wenn ich gegen ihn hätte kämpfen müssen, aber die Energie, die er auf das Fluchen und dann auf das Flöten verwendete, war erbittert.
Ich dachte an den anderen Flötenspieler, den zu Tode erschrockenen Jungen, der die Leiche im Haus des Quadrumatus gefunden hatte, der Musiker, der nie wieder seine Tibia an die Lippen setzen würde. Sklaven laufen nicht nur vor Prügeln davon. Der Flötenspieler wurde dort gut behandelt, aber ein derartiges Entsetzen könnte ihn dazu bringen, genauso zu fliehen, wie es diese Landstreicher getan hatten. Er war zu sensibel, um in dieser Umgebung zu überleben. Ich hoffte, dass er noch immer wimmernd in seiner Zelle saß.
Stille trat ein. Durchgefroren und benommen nach einem schrecklichen Tag ohne Essen und Trinken, setzte ich mich auf und band meine Stiefel mit unbeholfenen Fingern wieder zu. Ich fühlte mich steif, als ich mich aufrichtete, war aber ansonsten beweglich und frei. Vorsichtig ging ich los. Bald ließ ich die Vorsicht sein und marschierte mit stetigem Schritt über die Via Appia. Gelegentlich kam ich im Dunkeln von der Straße ab und geriet über den Rand des Pflasters hinaus, fand aber immer wieder zurück, und inzwischen leuchteten die Wintersterne schwach über mir und wiesen mir den Weg nach Rom.
Irgendwann meinte ich das Licht eines Feuers zu sehen. Ich hätte einen Umweg gemacht, um eine Konfrontation zu vermeiden, doch zwei Dinge hielten mich davon ab. Im Licht der Flammen erkannte ich, dass diejenigen, deren Lagerfeuer das hier war, ihren Kessel direkt neben dem von mir zurückgelassenen Esel aufgehängt hatten. Er stand noch genau dort, wo ich ihn als Markierung für Clemens und Sentius angebunden hatte. Jede menschliche Anwesenheit um diese Nachtzeit auf einer offenen Straße machte mich misstrauisch. Aber ich hörte Frauenstimmen, und so ging ich das Risiko ein.
Jeder Gedanke daran, die Situation unter Kontrolle zu haben, verpuffte, als ich das Lagerfeuer erreichte. Eine der auf dem Boden sitzenden Gestalten streckte den Arm aus und warf etwas ins Feuer, woraufhin die Flammen mehrere Fuß höher aufloderten und einen seltsamen metallischen Grünton annahmen. Große Götter, ich war über zwei Berufshexen gestolpert.
Zu spät. Sie hatten mich bereits entdeckt und riefen mir eine fröhliche Begrüßung zu. Flucht war unmöglich. Ich glaubte nicht an Hexen, aber ich wusste, wie sie vorgingen. Wenn ich weglief, würden sie sofort ihre Form verändern und auf riesigen schwarzen Schwingen hinter mir herfliegen, die Klauen ausgestreckt … Ich verachtete solches Gerede, war jedoch in einem so benommenen Zustand, dass ich bereit war, das näher zu ergründen.
Gut gemacht, Falco. Bist ja in allerbester Form. Ich hoffte nur, dass die alten Mütterchen hier nichts Schlimmeres vorhatten, als Kräuter zu sammeln. Doch so ganz mochte ich das nicht glauben. Denn zwischen sich hatte dieses wunderlich gekleidete Paar einen Eimer stehen, der offensichtlich mit alten Knochen gefüllt war.
Die Zaubertränke mischenden Vetteln waren schrumpelig und faltig, wirkten aber nach der Gewalttätigkeit der Entlaufenen weniger bedrohlich. Ich entschuldigte mich, sie gestört zu haben, und gab zu, mich mit den Anstandsregeln für Hexenzirkel nicht auszukennen. Die alten Frauen waren umgänglich und freundlich. »Setz dich! Iss einen Happen.«
Obwohl ich fast verhungert war, würde mich nichts dazu bringen, eine Kelle voll aus ihrem verbeulten Kessel anzunehmen. Menschliche Ohren und die Hoden unsauberer Tiere gehörten nicht zu meinen Lieblingsgerichten. Aber ich setzte mich – ziemlich abrupt; ich war nahe daran, zusammenzubrechen. »Nein danke. Mein Name ist übrigens Falco. Ich bin Privatermittler. Und wie darf ich die Damen ansprechen?«
»Mit unseren echten Namen oder unseren beruflichen?« Ohne auf eine Antwort zu warten, bekannten sie sich zu Dora und Delia. Ich fragte sie nicht, ob diese respektablen griechischen Benennungen ihre Arbeitspseudonyme seien. »Wir sind Hexen«, prahlte die eine stolz.
»Er ist kein Idiot, Delia. Das hat er schon an unserer Ausrüstung erkannt.«
An den riesigen zerbeulten Löffel, mit dem sie ihre dicke schwarze Mixtur umrührten, war ein purpurrotes Haarband gebunden. Auf dem Boden konnte ich im Feuerlicht Federn und seltsame Wollbüschel erkennen.
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