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Mord im Atrium

Mord im Atrium

Titel: Mord im Atrium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Geächteter in einer geheimen Welt lebte. Ein schiefes Schild verkündete, der Grund und Boden gehöre den Quintilii, doch er wurde nicht für die Landwirtschaft genutzt, und es standen keine Gebäude darauf. Das Gelände eignete sich bestens für eine Vorortvilla, war aber stattdessen ein Zufluchtsort für Gesetzlosigkeit und Elend.
    Als Erstes traf mich der Geruch. Er kroch über das Gras, doch sobald er mir in die Nase gedrungen war, konnte ich ihn nicht wieder loswerden. Selbst im Offenen nimmt einem der Gestank eines passionierten Penners den Atem. Der einzige Geruch, den man noch weniger loswird, ist der einer verwesenden Leiche.
    Männer und Frauen waren hier zusammengekommen, wenngleich es wenig gab, was sie optisch voneinander unterschied. Sie waren dunkle, formlose Bündel, entweder halbnackt oder in viele undurchdringliche Stofflagen gehüllt, mit einem geknoteten Strick um die Taille. Manche waren eindeutig wahnsinnig, andere benahmen sich absichtlich wie Irre, um Furcht einzuflößen. Sie schlichen in dreckigen Lumpen herum, einer mit einer halbzerrissenen, schiefsitzenden Mütze. Ihre Augen waren trüb und entweder zu Boden gerichtet oder von einem so wilden Starren, dass ich ihrem manischen Blick auszuweichen versuchte. Ein Mann hatte eine Flöte. Er konnte nur einen Ton spielen, was er in abscheulicher Monotonie ununterbrochen tat. Ein Ehepaar stolzierte trotzig mit Sklavenkragen herum, Halseisen, die man ihnen angelegt hatte, um der Welt zu zeigen, dass sie Entlaufene waren. Einer schleppte ein gewaltiges Bündel klirrender Ketten mit sich herum. Einige ständig Besoffene brüllten mit lauten, heiseren, wütenden Stimmen den erwachenden Sternen unmelodische Trinklieder zu.
    Als sich meine Augen an diesen Schlupfwinkel verlorener Seelen gewöhnt hatten, erkannte ich, dass weitere Gestalten in einem Kreis auf dem Boden lagen, vollkommen reglos. Manche hatten sich Kokons zum Schlafen fabriziert, die wie Grabhügel wirkten. Dort lagen sie, ohne sich je zu bewegen, gaben sich auf dem kalten Boden vollkommen der Erschöpfung oder der Trunkenheit hin. Einige wurden von ausgemergelten Hunden bewacht, die ebenfalls aussahen, als wären sie fast hinüber.
    Mein namenloser Begleiter ließ mich auf einem Holzscheit Platz nehmen, etwas von den anderen entfernt, während er es auf sich nahm, für mich den Botschafter zu spielen und sich nach Veleda zu erkundigen. Ich sah ihm lange Zeit dabei zu. Während ich dort saß und mich so unauffällig wie möglich verhielt, stand von Zeit zu Zeit jemand auf und schlurfte im Zwielicht fort. Unmöglich zu sagen, ob das etwas mit mir zu tun hatte. Sie konnten in ihrer eigenen traurigen Angelegenheit davonzockeln oder Verstärkung holen. Ich hatte das Gefühl, in einer schrecklichen Falle zu sitzen, doch ich musste es durchstehen. Wenn Veleda tatsächlich dabei gesehen worden war, mit einem dieser Leute zu reden, war das meine einzige Chance, etwas darüber zu erfahren.
    Schließlich kam der Mann, dem ich zuerst begegnet war, zu mir zurück.
    »Sie wollen Geld.«
    »Sie können das bekommen, was ich dabeihabe, wenn sie mir sagen, was ich wissen will.«
    »Sie wollen erst das Geld.«
    »Und dann damit weglaufen.« Ich bemühte mich um einen umgänglichen Ton. »Hör zu, ich verstehe eure Lage. Ich verstehe, in welcher Gefahr ihr euch befindet, vor allem, wenn ihr Fremden erlaubt, sich euch zu nähern. Ich verspreche, dass ich euch nicht den Vigiles übergeben werde. Hat irgendjemand von deinen Freunden die Frau gesehen?«
    Er versuchte es mit einer anderen Masche. »Sie haben zu viel Angst, um etwas zu sagen.«
    »Ihnen wird kein Leid geschehen.«
    »Sie wissen, wen Sie meinen«, rückte er heraus, um mir den Mund wässrig zu machen. Etwas an der Art, wie er sprach, überzeugte mich jetzt davon, dass er unaufrichtig war. Ich würde nichts erfahren. Ich musste hier weg.
    Ich stand auf. »Und welcher von ihnen hat sie gesehen?«
    »Ich muss der Sprecher sein«, gab der ehemalige Architekt rasch zurück. Seine Stimme krächzte von seiner Krankheit, und nun entpuppte er sich eindeutig als Lügner. Wie kultiviert er auch in seinem vorherigen Leben gewesen sein mochte, er hatte sich diesem Kreis ergeben. Er lebte nach ihren Regeln, die es nicht gab. Er hatte jegliche Moral verloren. Ich besaß keinen Zugang zu diesem Mann. Hatte ihn nie besessen. Ich hatte ihn während unseres vorherigen Gesprächs nie erreicht. Ich konnte ihn nicht unter Druck setzen. Damit das funktioniert, muss

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