Mord im Atrium
verliere einen Auftrag nie gänzlich aus dem Auge. Da wir uns ja so gut verstanden, fragte ich Hekates Schwestern, ob sie je einer Frau mit infernalischen Absichten begegnet wären. Ich erzählte ihnen so viel von Veleda, wie ich konnte.
»Kennen wir nicht. Wir mischen uns nicht oft unters Volk«, wehrte Delia geringschätzig ab. Sie hatte eine kräftige Hakennase, doch mir kam es fast so vor, als hätte sie die für diesen Anlass nur angeklebt. Frauen donnern sich auf ihre eigene Weise auf, wenn sie einen draufmachen wollen …
Dora hatte die Warzen. Sie besaß auch das zweite Gesicht. »Du wirst es noch bedauern, dich auf die eingelassen zu haben, Herzchen!«
»Glaub mir, das tue ich bereits. Tja, falls ihr der Frau begegnet, versucht alle Behauptungen von Schwesternschaft abzuwehren. Traut ihr nicht. Mit der gibt es nur Ärger. Kommt einfach zu mir und sagt mir Bescheid.«
»Oh, das werden wir!«, versicherten sie mir und beharrten darauf, beide absolut patriotisch zu sein. Mir kam es so vor, als würde ich mit zwei ältlichen Tanten reden, die seit dem Frühstück vom Festwein getrunken hatten. Sie erinnerten mich an mehrere von meinen. Ich war schon auf Hochzeiten gewesen, auf denen die Gespräche viel verrückter waren als diese hier.
»Ihr kennt hier jeden, nicht wahr?«, meinte ich. Nun ja, sie kannten Zoilus, den unbestatteten Toten. Er konnte kaum als gesellschaftliche Eroberung gelten, mit der man sich brüsten würde. »Seid ihr jemals Leuten aus dem Tempel des Aesculapius begegnet, während ihr mit eurem Knocheneimer herumgelaufen seid? Wie ich hörte, sind die nachts unterwegs und kümmern sich um die Obdachlosen.«
»So nennen sie das!«, regte sich Dora auf. »Treiben sich auf den Straßen rum, suchen nach Pennern in Türeingängen und bieten denen pflanzliche Aufgüsse an, die die nicht wollen … Ein Mann hat damit angefangen, vor Jahren, aber heutzutage macht irgendeine Frau die ganze Arbeit.« Dora ging zu einer privaten Schimpftirade über. »Eines kapieren die meisten Menschen einfach nicht, Falco. Wenn sie in eine Apotheke gehen, um sich ein Abführmittel zu holen, kriegen sie dasselbe, was wir anbieten, nur ohne den Vorteil der Beschwörungen. Die sind bloß Amateure. Wir sind Spezialistinnen. Die benutzen genau dieselben Zutaten. Zur Zubereitung einer anständigen Medizin bedarf es mystischer Vorbereitungen …«
Diese Tirade ging endlos weiter. Ich musste hier weg.
Ich fragte, ob ich den Esel haben könne. Die Hexen waren enttäuscht, als sie erfuhren, dass er mir gehörte, wurden aber bald besorgt, ich könne im Mietstall die Zeit überzogen haben und Strafe bezahlen müssen. Anscheinend hatten sie gehofft, das räudige Viech abschlachten, ausnehmen und verschiedene getrocknete Teile für ihre Zaubersprüche verwenden zu können. Doch Diebstahl war nicht ihr Stil, und sobald sie erkannten, dass ich einen legitimen Anspruch besaß, halfen sie mir in den Sattel. Kurz überkam mich die Furcht, sie wollten mich betatschen. Aber ich tat ihnen unrecht. Delia und Dora waren viel zu kultiviert, um an so was zu denken, selbst wenn sie dazu von einem Mann verlockt wurden, der nur eine dürftige Untertunika trug, weil seine sonstige Kleidung gestohlen worden war.
Ich bot ihnen das bisschen Geld an, das ich noch hatte, um ihre Redlichkeit zu belohnen, aber sie lehnten jegliche Bezahlung ab.
Der Esel wollte sich nicht rühren, als ich ihn antrieb. Dora klopfte ihm mit der Kelle aus dem Kessel auf das Maul. Sie murmelte ein besonders hässliches Wort. Er wieherte und schoss so schnell los, dass ich beinahe von seinem Rücken katapultiert wurde. Atemlos rief ich Abschiedsgrüße, während Delia gackernd lachte. Der Esel hatte einen ordentlichen Dunghaufen hinterlassen, den Dora sofort in ihren Sack schaufelte.
Ich klammerte mich an die Zügel, klemmte meine Knie fest und sehnte mich nach meiner Kleidung, die mich vor dem Erfrieren bewahren würde. Der Mangel an Würde war mir ziemlich egal, obwohl ich zugeben muss, dass ich mehr zeigte, als für einen Ritt durch die Stadt angemessen gewesen wäre.
Nach dem Stups mit der Kelle trottete der Esel so zügig dahin, dass ich bald den vertrauten Umriss der Porta Appia vor mir sah. Der lange Alptraum war zu Ende. Ich kehrte heim.
XXVII
E rstaunlicherweise wurde ich in kein weiteres Abenteuer verwickelt, bis ich durch meine Haustür trat. Ich war durchgefroren, hungrig, zerschlagen, schmutzig, deprimiert, und ich stank. Ganz normal, würden manche
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