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Mord im Atrium

Mord im Atrium

Titel: Mord im Atrium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Eine hölzerne Figur ließ für jemanden nichts Gutes erahnen. Ein winziges Hündchen aus Ton, in dessen leere Augenhöhlen irgendwas Matschiges gedrückt war, schien für die magische Brühe bestimmt zu sein. Sie hatten eine Metallscheibe mit Symbolen, deren Bedeutung ich lieber nicht wissen wollte. Dora hielt einen eckigen Beutel aus altem Sackleinen an sich gedrückt, in dem sie zweifellos eklige Zutaten aufbewahrte.
    Ich zwang mich, beeindruckt auszusehen. »Solltet ihr nicht zu dritt sein?«
    »Daphne konnte nicht kommen. Sie musste auf ihre Enkelkinder aufpassen.«
    »Und was ist da in dem Topf?«, fragte ich mit leicht zitternder Stimme.
    »Hauptsächlich Dung und Ringelschwänzchen von kleinen Ferkeln. Sieben Nächte lang mariniert. Käfer und Blut. Eine Prise Eidechse schadet nie. Wir verwenden gern viel Alraunewurzeln. Man muss sie sehr frisch mahlen. Sie bei Mondlicht aus dem Boden zu ziehen kann eine echte Fummelei sein, aber wenn man den Kniff erst mal raus hat, ist es das wert.«
    »Skorpione? Stutenpisse? Kröten?« Meine Stimme zitterte immer noch.
    »O ja. Aus Krötenlaich lässt sich gute Schmiere machen.«
    Kaiser Augustus, dieser wichtigtuerische Spielverderber, hatte versucht, die Hexerei auszulöschen. Seine Methode bestand größtenteils darin, die Hexenkunst von Hofpoeten als entsetzlich darstellen zu lassen. Legislatur durch Literatur. Organisation durch Oden. Horaz und Vergil, diese imperialen Widerlinge, beeilten sich beide, sich bei ihrem Kaiser einzuschleimen. Horaz schrieb ein abstoßendes Gedicht über einen Jungen, der von dreckigen Hexen bis zum Hals eingegraben wurde, neben sich eine Schüssel mit Essen, die er nicht erreichen konnte, und verhungerte, damit seine vergrößerte Leber für einen Liebestrank verwendet werden konnte.
    »Hast du eine Freundin? Wir können dir rasch einen Zaubertrank mischen, während unsere Hauptbrühe köchelt«, bot Dora an.
    »Ich hab’s nicht mit Liebestränken. Warum jemanden mit einem geheimen Zauberbann zur Liebe verführen? Ich ziehe es vor, dass sich Frauen mit von Herzen kommender Wollust auf mich stürzen …«
    »Passiert dir wohl oft, was?«, höhnte Dora, obwohl ihr Sarkasmus milde war.
     
    Irgendwas bewegte sich in der Nähe, und ich zuckte zusammen.
    »Das ist nur Zoilus, der tut dir nichts.« Als Dora das sagte, erkannte ich den bleichen Schatten, der sich unbemerkt herangeschlichen hatte. Der Unhold fuchtelte mit seinen Armen wie Flügeln und hielt seine fahle Kleidung mit ausgestreckten Fingern hoch. Die Hexe drehte sich zu ihm um und rief: »Lass uns in Ruhe, oder ich backe dich in einen Verwünschungskuchen! Hau ab, Zoilus!« Sofort flatterte die unbestattete menschliche Fledermaus gehorsam davon.
     
    Das Gespräch erlahmte. Erschöpfung überkam mich, und ich sackte zusammen. Ich wagte nicht, einzunicken, sonst würden sie mich in irgendwas verwandeln; garantiert in eines der Tiere oder Vögel, die ich nicht leiden konnte. »Euer grünes Feuer hat mir gefallen. Können wir das noch mal haben?«, fragte ich. Vielleicht würde jemand das Licht sehen und mich retten.
    »Oh, grünes Feuer ist vollkommen aus der Mode, Herzchen. Delia macht das nur, um ihre armen Nerven zu beruhigen. Fledermausaugen, das ist mal was. Fledermausaugen werden nie unmodern. Aber knifflig. Hast du schon mal versucht, eine Fledermaus dazu zu bringen, so lange still zu halten, bis du ihr die Augen rausgerissen hast? Und Knochen natürlich.« Dora rasselte mit ihrem Eimer. »Knochen«, wiederholte sie nachdenklich. »Sind heutzutage auch nicht mehr so leicht zu bekommen. Moderne Einäscherungsmethoden helfen uns leider kaum, und die trauernden Angehörigen brechen die großen Knochen meistens entzwei, damit die Asche in diese schrecklichen stromlinienförmigen Urnen passt. Geizhälse.«
    »Nein, das liegt nur an der Überfüllung«, widersprach Delia. »Sie wollen alle Platz sparen, weil ihnen die Borde in den Grabmälern ausgehen, Liebling. Nur hübsche kleine Urnen passen noch hinein.«
    »Tragisch!«, stimmte Dora zu und zwirbelte missmutig Haarlocken zwischen ihren dreckigen Fingern. In die Zöpfe schienen Lumpen eingeflochten zu sein statt der traditionellen Schlangen. Ich verkniff es mir, danach zu fragen. Garantiert würde sie darüber klagen, wie unmöglich es heutzutage war, an Nattern zu kommen, und ich wusste, dass mir dann die Gesichtszüge entgleisen würden.
    Unser gesellschaftliches Beisammensein im Feuerlicht war total grotesk, aber ich

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