Mord im Atrium
Zosime hereinführte, doch sobald Papa hörte, dass sie kranke Sklaven auf der Tiberinsel versorgte, verlor er das Interesse. Außerdem war die Heilerin sowieso nicht die Art von derber, schlampiger Schankkellnerin, die er gern befummelte. Sie war sechzig, ernst und musterte meinen Vater traurig, als wären Halunken für sie eine wohlbekannte Rasse. Doch als Papa sie schamlos wegen seiner Hämorrhoiden befragte, bot sie an, ihm einen Arzt zu empfehlen. »Sie können sie ausquetschen lassen.«
»Klingt gut!«
»Sehen Sie sich das chirurgische Instrument genau an, bevor Sie sich entscheiden, Didius Favonius!« Selbstsicher wie immer, gab sich Papa ganz locker.
»Schmerzhaft?«, fragte ich hoffnungsvoll – während ich bemerkte, dass Zosime einen schonungslosen Sinn für Humor besaß und sich Papas Namen gemerkt hatte, nachdem ich ihn nur kurz vorgestellt hatte. In ihr hatte ich eine weitere gute Zeugin gefunden, falls sie bereit war, auszusagen.
»Dafür wird dasselbe Werkzeug benutzt, mit dem Tierärzte Pferde kastrieren, meiner Meinung nach.«
Papa erbleichte. Nachdem er sich eilends verdrückt hatte, setzte sich Zosime, behielt ihren Mantel aber gefaltet über dem Arm, als würde auch sie nicht erwarten, lange zu bleiben. Dürr und untergewichtig, hatte sie kleine Hände mit ältlichen Fingern. Ihr Gesicht war scharf geschnitten, wissbegierig, geduldig. Dickes gesundes graues Haar war in der Mitte gescheitelt und zu einem Knoten im Nacken zusammengefasst. Sie trug ein schlichtes Gewand, eine Kordel als Gürtel, offene, stabile Schuhe. Keinen Schmuck. Wie viele ehemalige Sklaven, vor allem Frauen, die sich danach ein eigenes Leben aufbauen, hatte sie ein zurückhaltendes, aber kompetentes Auftreten. Sie drängte sich nicht vor, wich jedoch auch vor niemandem zurück.
Ich erinnerte sie an ihr früheres Gespräch mit Helena Justina. Dann ging ich mit ihr durch, was sie Helena über ihren Besuch bei Veleda erzählt hatte, das von ihr diagnostizierte Bedürfnis nach Ruhe, und dass man ihr nahegelegt hatte, weitere Besuche des Hauses zu unterlassen. »Ich nehme an, Sie haben sie weiterbehandelt, als sie in den Tempel kam?«
Das war ein Probeschuss. Zosime sah mich an. »Wer hat Ihnen das erzählt?«
»Also, Sie nicht, so viel ist sicher. Aber habe ich recht?«
Mit einer Andeutung von Ärger – auf mich gezielt – schniefte Zosime. Sie sah aus wie meine Mutter, wenn sie einen Korb mit verdorbenem Kohl durchwühlte. »Sie kam. Ich tat für sie, was ich konnte. Kurz danach ging sie wieder.«
»Geheilt?«
Zosime überdachte ihre Antwort. »Ihr Fieber war gesunken. Ob es nur ein vorübergehendes Abflauen war oder eine permanente Besserung, kann ich nicht sagen.«
»Wenn es nur ein Abflauen war, wie lange dauert es, bis es wieder aufflammt?«
»Das lässt sich unmöglich voraussagen.«
»Wäre es ernst – oder tödlich?«
»Auch das lässt sich nicht einschätzen.«
»Was fehlt ihr denn nun eigentlich?«
»Sie leidet unter irgendeiner ansteckenden Krankheit. Höchstwahrscheinlich Sommerfieber, das, wie Sie wissen, tödlich sein kann.«
»Wieso sollte sie im Dezember Sommerfieber bekommen?«
»Vielleicht, weil sie fremd in Rom ist und anfälliger für unsere Krankheiten.«
»Was ist mit den Kopfschmerzen?«
»Das ist nur eines der Symptome. Geheilt werden muss die zugrunde liegende Krankheit.«
»Sollte ich mir Sorgen machen?«
»Veleda sollte sich Sorgen machen«, wies mich Zosime zurecht.
Sie war hilfsbereit – doch sie half mir nicht richtig. Nichts von alldem brachte mich weiter. »Mochten Sie sie?«
»Mögen …?« Zosime schaute verblüfft. »Sie war eine Patientin.«
»Sie war eine Frau und in Schwierigkeiten.«
Zosime wischte meine Andeutung beiseite, dass Veleda einen besonderen Status besaß. »Ich hielt sie für gescheit und fähig.«
»Fähig, einen Mord zu begehen?«, fragte ich und blickte sie durchdringend an.
Zosime schwieg kurz, dann sagte sie: »Ja, ich hörte von dem Mord.«
»Von Veleda?«
»Nein, sie hat ihn nie erwähnt. Quadrumatus Labeo hat Leute geschickt, um mich zu fragen, ob ich sie nach ihrer Flucht aus seinem Haus gesehen hätte. Die haben mir davon erzählt.«
»Glauben Sie, dass Veleda Scaeva ermordet hat?«
»Ich glaube, sie hätte es tun können, wenn sie gewollt hätte … Aber warum sollte sie das wollen?«
»Und nachdem man Ihnen davon erzählt hatte, warum haben Sie sie nicht nach ihrer Version gefragt?«
»Da war sie bereits
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