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Mord im Atrium

Mord im Atrium

Titel: Mord im Atrium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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sagte, die komplette Mannschaft laufe morgen mit Kopfschmerzen rum. Die meisten würden die nächsten vier Tage nicht mehr im Wachlokal erscheinen, und wenn sie dann auftauchten, aschfahl und zitternd, würde es mehrere Stunden freundlichen Zuspruchs erfordern, beruhigende Magenmittel für alle von ihrem Arzt Scythax und ein geliefertes Frühstück, um die sedative Wirkung der Magentropfen zu beseitigen, bevor die Situation, die der unschuldigen Öffentlichkeit unter dem Begriff »im Dienst« bekannt war, überhaupt wieder eintreten konnte.
    Ich war zu jung dafür. Ich hatte zu viel Verantwortung zu tragen. Ich hätte mich meilenweit von der legendären Nacht der Degeneration fernhalten sollen – aber ich tat dasselbe, was Sie getan hätten: Ich ließ mich mitlocken.

XXXIII
    I ch wurde zu einem großen, unbenutzten Lagerhaus geführt. Ich redete mir ein, dass nichts schiefgehen würde. Schließlich hatte meine Schwester – die tugendhafte, aufgeblasene – die Versorgung mit Speisen und Getränken übernommen.
    Eine Vigiles-Kohorte umfasst etwa fünfhundert Mann. Manchmal gibt es einen Fehlbestand, wenn zum Beispiel eine Gruppe zur Bewachung des Getreidenachschubs nach Ostia abkommandiert ist, aber die Vierte hatte ihren Einsatz dort vor kurzem beendet. Es ist genau wie in der Armee. An einem guten Tag fallen zehn wegen Verletzungen aus (mehr nach einem großen Hausbrand, sehr viel mehr nach einer stadtweiten Feuersbrunst), zwanzig liegen mit allgemeinen Krankheiten auf der Krankenstation, und fünfzehn sind besonders untauglich zum Dienst wegen Bindehautentzündung. Der Schatzmeister ist stets zu Besuch bei seiner Mutter. Der kommandierende Tribun ist immer anwesend; niemand wird den los, welche hinterhältigen Tricks sie sich auch einfallen lassen.
    Mein erster Blick fiel demnach auf Marcus Rubella, den wenig vertrauenswürdigen, überambitionierten Tribun der Kohorte. Er stand auf einem Tisch, den rasierten Kopf zurückgelegt, und leerte den größten zweihenkeligen Weinpokal, den ich je gesehen hatte. Bei einer Zusammenkunft von Schmieden oder Heizern, die zu den größten Zechern der Welt gehören, wäre das die letzte Nummer des Abends gewesen, nach der alle zusammengebrochen wären. Normalerweise ein Einzelgänger, dessen Männer noch lernen mussten, ihn zu mögen, war Rubella erst in der Aufwärmphase zwischen dem Angriff auf die ersten Tabletts mit Appetithäppchen. Gelegenheiten wie diese waren es, bei denen er den argwöhnischen Respekt der Vigiles gewann. Nach einer Handvoll Wachteleiern und ein paar Austern würde ihr harter Bursche eine weitere Herausforderung zum Vielschlucken annehmen, aufrecht stehen bleiben und offenbar völlig nüchtern erscheinen. So was bewunderten die Vigiles. Es verdient erwähnt zu werden, um zu zeigen, wie gewissenhaft er sich in solche Kohortenfestivitäten warf, dass Marcus Rubella (ein gesetzter Mann, der auf seine Würde achtete) momentan einen dämlichen Hut, geflügelte Sandalen und eine sehr kurze goldfarbene Tunika trug. Schaudernd bemerkte ich, dass er sich die Beine nicht rasiert hatte.
    Von den fünfhundert Mann, die nächtlich im Zwölften und Dreizehnten Bezirk patrouillierten, waren fast alle anwesend. Auch die Leidenden aus der Krankenstation hatten sich tapfer aufgerafft. Selbst die Eimerträger mit lebensbedrohlichen Verbrennungen vom Feuer in einer Bäckerei waren auf Tragen hergebracht worden. Einer von ihnen flüsterte mir zu, er habe hart darum gekämpft, bis zu diesem Fest durchzuhalten. Sollte er heute Nacht sterben, tue er das lächelnd.
    Ein Becher Wein fand seinen Weg in meine Hand. Von mir wurde erwartet, ihn so schnell wie möglich runterzuschütten und nachfüllen zu lassen. Mein Ellbogen wurde ermutigend geschüttelt. Ich erkannte den Wein als den Vinum primitivum von dem Abend im Flora. Dann entdeckte ich meine Schwester Junia, die sich mit gerötetem Gesicht und gehetztem Ausdruck durch die Menge drängte. Sie näherte sich der Vierzig und den Wechseljahren, doch das hatte sie nicht davon abgehalten, sich ihr Haar in dicken, schiefsitzenden Rollen hochzustecken, den Aufbau mit künstlichen Rosenknospen zu schmücken und in ihrer zweitbesten Stola herumzustöckeln. Das alles machte einen unpassend mädchenhaften Eindruck. Mir wurde fast schlecht. »O Juno, Marcus, diese Männer sind unersättlich. Meine Vorräte reichen bestimmt nicht aus!«
    »Du wusstest, auf was du dich da einlässt. Du hast Petro oft genug davon schwärmen

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