Mord im Atrium
von ihren Müttern sauber geschrubbt und nett angezogen, hatten zu viel Krokus-Haarpomade benutzt. Sie standen in einer duftenden kleinen Gruppe zusammen und waren alle sehr still. Keiner hatte bisher den Mut aufgebracht, sich etwas zu trinken zu holen. Es war ihr erstes Jahr in der Kohorte, und sie fühlten sich bereits überwältigt bei dem Gedanken, was da an ausgelassener Fröhlichkeit noch auf sie zukommen mochte. Sobald sie etwas lockerer wurden und sich dem Primitivum zuwandten, würden sie widerwärtig werden.
Frauen waren auch da. Keine, die ich erkannte. Nach ihrer Kleidung und ihrem Benehmen zu schließen, war es unwahrscheinlich, dass es sich um Ehefrauen der Vigiles handelte.
Ich war bei meinem dritten Becher (wobei ich den zweiten allerdings einem anderen Mann weitergereicht hatte), als ich endlich Petronius entdeckte. Er stand hinter dem Tresen und half Apollonius, die Wachssiegel von einem weiteren Stapel Amphoren aufzubrechen. Seine Größe und Autorität waren dabei nützlich, Ordnung zu halten. Sein einziges Zugeständnis an Kostümierung war der Lorbeerkranz, den er trug. Der Kranz war mit karmesinroten Bändern durchwunden und wahrscheinlich von Maia zu Hause angefertigt worden. Ich zwängte mich durch die Menge, winkte ihm zu und formte ein Io! mit den Lippen. Sobald ich näher bei ihm war, fügte ich hinzu: »Du stehst genau am richtigen Platz.«
»Hab noch gar nicht angefangen. Ich geh’s gerne ruhig an.« Trotzdem nahm er, als eine (verhältnismäßig) kurze Pause eintrat, einen Becher von Apollonius entgegen, den ich zum ersten Mal in all den Jahren, die ich ihn kannte, selbst mit einem Weinbecher in der Hand sah.
Wir drei unterhielten uns fröhlich, nur unterbrochen von Junia, die uns dazu bringen wollte, Tabletts mit Speisen auszugeben. Wir taten so, als würden wir helfen, reichten die Tabletts aber an andere weiter. Zum Glück besitzen die Vigiles eine Eimerkettenmentalität. Petro griff sich eine Pastete, als ein Teller in Augenhöhe vorbeikam. »Die sind gar nicht schlecht!«
»Vielleicht hat deine Schwester sie gemacht«, meinte Apollonius, an mich gewandt. Als er eine probierte, tropfte Soße über seine Tunika, da er die Konsistenz der Füllung falsch eingeschätzt hatte.
»Garantiert nicht.« Ich kannte Junias Fähigkeiten, die in meiner Familie legendär waren. »Die bringt höchstens eklige Knorpeltaschen zustande, und mit ihrer Polentapampe kann man Löcher im Wandputz füllen. Das hier geht weit über Junias Horizont hinaus.« Nostalgie schwappte über mich. »Cassius’ Bäckerei, würde ich sagen. An der Brunnenpromenade.«
Cassius war mein Nachbar und regulärer Brotlaib-Lieferant gewesen, in früheren, träumerischeren, ärmeren Tagen. Petronius verdrehte die Augen und beugte sich vor, um meinen Becher rasch aufzufüllen. Er wusste, dass ich in sentimentale Erinnerungen verfallen würde. Ich hatte das Stadium des automatischen Schluckens erreicht, etwa auf der Stufe, wo ich ohne zu weinen in Erinnerungen schwelgen konnte. Kurz bevor ich mich zu Theorien versteigen würde, dass das Römische Imperium nicht mehr das war, was es einmal zu sein pflegte, und es auch dank der Ignoranz der einfältigen Bevölkerung und der Trägheit der regierenden Aristokratie nie wieder werden würde …
»Die Barbaren stehen vor den Toren!« Petros treffender Ruf ließ mich aufschrecken. Wir waren schon lange befreundet, aber dennoch las er meine Gedanken selten so korrekt. Er reagierte jedoch nur auf einen Jungen, der ihm zugeflüstert hatte, dass es an der Tür ein kleines Problem mit ungeladenen Gästen gebe. Der Junge hätte auch Rubella informieren können, aber angesichts der grellen Merkur-Kostümierung des Tribuns hatte er weise beschlossen, seine Chancen auf Beförderung würden besser aussehen, wenn er Petronius das Debakel meldete. Marcus Rubella nahm sich selbst äußerst ernst. Wenn er sich kostümierte, erwartete er, dass die Jungs seine Ehre aufrechterhielten und ihn nicht zu einem improvisierten öffentlichen Auftritt verlockten, während er wie ein besoffener Transvestit aussah. Was sie betraf, verachteten die Vigiles die Öffentlichkeit, waren jedoch der Meinung, die Öffentlichkeit habe nichts so Schlimmes verbrochen, dass es den Anblick von Rubellas haarigen Beinen rechtfertige.
Wir überließen Apollonius seinem Schicksal und drängten uns durch das Chaos. Inzwischen prahlten und rülpsten alle in den jeweiligen Gruppen, die sich gebildet hatten, aber sie ließen
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