Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord im Atrium

Mord im Atrium

Titel: Mord im Atrium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
Vom Netzwerk:
sein. Warum ist der Junge weggelaufen? Vielleicht hat er etwas gesehen …«
    »Er sah eine kopflose Leiche in einem Raum voller Blut, Marcus!«
    »Wenn er dachte, Veleda hätte seinen jungen Herrn getötet, dann hätte er sich vollkommen sicher fühlen müssen, nachdem sie verschwunden war. Ich vermute, er steht nicht nur unter Schock, weil er die Leiche entdeckt hat. Er ist wegen etwas anderem verängstigt. Dieser Junge ist ein äußerst wichtiger Zeuge.«
    »Jedenfalls ist er eine wunderbare Ausrede für dich!«, schnaubte Helena. »Versprich mir gar nicht erst, dass du nicht lange fortbleiben wirst.«
    Ich versprach es. Das tue ich immer. Ich werd’s nie lernen. Glücklicherweise lernen Frauen sehr schnell, daher würde Helena nicht enttäuscht sein, wenn ich nicht so bald heimkam.
     
    Petro war nicht im Wachlokal. Niemand war da, bis auf den Schreiber. »Gib mir seine Beschreibung, wenn’s denn sein muss, Falco, aber beeil dich. Meldest du ihn für seinen Herrn? Ich brauche alle Einzelheiten über seinen Besitzer.«
    »Wozu das denn? Seinen Herrn brauche ich nicht zu finden, nur den Jungen. Er ist ein wichtiger Zeuge in einem Mordfall.«
    »War er ein ausgebildeter Virtuose? Ein körperlich besonders schönes Exemplar? Hat er die teure Flöte gestohlen, als er weggelaufen ist?«
    »Ihr Drecksäcke seid doch nur an wertvollen Besitztümern interessiert.«
    »Du hast’s kapiert.«
    »Hör zu, du Melonenkern, er ist durch das traumatisiert, was er ansehen musste, er ist ein empfindsamer Jugendlicher, er ist verschwunden, er ist verängstigt, und ich glaube, er kann mir etwas über einen grässlichen Mord erzählen, der von tiefer politischer Bedeutung ist.«
    Der Schreiber seufzte. »Und was ist daran neu? Deine Fälle sind doch alle so. Es ist offensichtlich: Er hat etwas gesehen. Jetzt hat er Angst, dass es jemand auf ihn abgesehen hat. Also rechne es dir aus, Falco. Er muss den Mörder am Tatort gesehen haben. Er kennt denjenigen, und daher war es entweder ein regelmäßiger Besucher – oder der Täter lebt im Haus.«
    Das ließ mich zusammenfahren. »Mach mal langsam. Deine Aufgabe ist es, Kurzschriftnotizen aufzunehmen. Ich bin der Ermittler.«
    »Ich denke wie Petronius Longus, Falco. Ich habe oft genug seine Fallnotizen abgeschrieben.«
    »Um so mehr Grund, den Jungen umgehend zu finden.«
    »Ich setze morgen einen Steckbrief auf und lass die Jungs nach ihm Ausschau halten.«
    »Willst du nicht erst nachsehen, ob er bereits in eurer Arrestzelle sitzt?«
    »Sitzt er nicht.«
    »Wie kannst du dir da so sicher sein?«
    »Ich bin mir sicher«, erklärte der Schreiber nachdrücklich, »weil die Zelle leer ist.«
    Ich war verblüfft. »Wie bitte? Keine Brandstifter oder Balkondiebe? Keine Betrunkenen, Straßenräuber oder rauhbeinige Beleidiger gebrechlicher alter Damen? Können das die Saturnalien sein? Was ist mit den Ausschweifungen auf der Straße passiert?«
    »Wir hatten ein paar Hausgäste, Falco. Ich habe ihre Entlassung gegen Kaution persönlich überwacht. Dafür habe ich jetzt einen mehrere Zoll hohen Stapel von Schuldscheinen. Die Ausschweifungen beginnen offiziell erst morgen«, sagte der Schreiber. Dann erklärte er, warum er als Einziger noch im Wachlokal war und warum selbst er kurz davor war, abzuschließen und zu gehen. »Morgen brauchen wir jeden Mann auf der Straße. Kein Urlaub, keine Krankschreibung, kein Zuhausebleiben wegen Zahnschmerzen ohne Krankschreibung und kein Abhauen zur Bestattung der eigenen Großmutter zum vierten Mal in diesem Jahr. Morgen herrscht das Chaos, und wir werden da sein. Daher findet heute Abend das jährliche Saturnalienbesäufnis der Vierten Kohorte statt.«
    Ich sagte, dann würden sie morgen alle einen schrecklichen Kater haben, und er sagte, er könne hier nicht mehr länger rumwarten, und ob ich mitkommen wolle?
     
    Ich hätte direkt nach Hause gehen sollen. Ich wusste es. Es war mir gelungen, einige Jahre lang diesem besonderen Ereignis im Kalender aus dem Weg zu gehen, doch ich wusste recht gut, was da ablief. Diejenigen, die daran teilgenommen hatten, verbrachten die folgenden zwölf Monate in Erinnerungen daran. Sie bekamen sehnsüchtige Augen, als wünschten sie sich an die besten Teile erinnern zu können: Was der Grünschnabel von Rekrut in aller Unschuld zu dem Tribun gesagt hatte, bevor sie beide das Bewusstsein verloren, und warum die Rechnung für das zu Bruch Gegangene so hoch gewesen war. Ich hatte einen Witz gemacht, als ich dem Schreiber

Weitere Kostenlose Bücher