Mord im Atrium
vorgenommene Untersuchungen seien gesetzwidrig, wenngleich er erwähnte, sie seien eine Zeitlang in Alexandria durchgeführt worden.«
»Selten.« Aedemon, der Alexandriner, wehrte sofort ab. »Eine anarchische, der Religion zuwiderlaufende Praxis. Ich heile die Lebenden. Ich entweihe die Toten nicht.«
Ich merkte, wie Helena beschloss, ihn nicht weiter zu bedrängen, ob heutzutage immer noch heimliche Autopsien stattfanden. Er würde es uns nicht verraten, auch wenn er davon wusste. Sie änderte ihre Vorgehensweise. »Er hatte irgendwann auch noch eine andere Patientin, glaube ich. Veleda? Wir wissen, dass Mastarna mit Veleda über Trepanation gesprochen hat. Sie suchte verzweifelt nach jemandem, der sie von dem Druck in ihrem Schädel befreien würde. Hatten Sie dazu irgendeine Meinung?«
»Ich bin der Frau nie begegnet.« Er klang spröde. Zu spröde? Ich glaubte nicht. Er war ehrlich erleichtert, jede Beteiligung von sich weisen zu können. Bedeutete das, es gab andere Themen, zu denen seine Einstellung zweideutiger sein mochte? Beunruhigten ihn unsere Fragen?
Wir würden es nicht erfahren. Die Kutsche ratterte endlich durch die Außenbezirke der Stadt. Sie schlingerte in den Mietstall, und wir mussten alle aussteigen. Aedemon setzte einen schweren Fuß nach dem anderen auf den Boden und befreite sich dann mit einer erstaunlich geschmeidigen Drehung seines Körpers aus der Kutsche. Als er sich aufrichtete, keuchte und schnaufte er beängstigend. Helena und ich boten an, ihn zu begleiten, doch er behauptete, in der Nähe warte eine Sänfte auf ihn, und er müsse sowieso nicht in unsere Richtung. Da wir nicht gesagt hatten, wohin wir wollten, war er entweder froh, unser Verhör hinter sich zu haben, weil es in gefährliche Bereiche eindrang, oder er fand unsere Gesellschaft nur einfach langweilig.
XXXII
I nzwischen war es dunkel. Wir beeilten uns, von den Ställen nach Hause zu kommen. Die Zeit des feiertäglichen Schabernacks hatte begonnen. Straßenhändler und Standbesitzer im Transtiberim glaubten, das bedeute, Frauen – ehrbare Frauen, die mit ihren Ehemännern spazieren gingen – für eine schnelle Nummer in einer Seitengasse anquatschen zu können. Helena nahm es schweigend hin, war aber offensichtlich erschüttert. Nicht so sehr wie ich darüber, in die Rolle des Luden versetzt zu werden. Kaum hatten wir uns davon erholt, pöbelte uns ein sechs Fuß großer Strolch an, im Kleid seiner Schwester, die Augen und Wangen dick geschminkt, dazu eine lächerliche Wollperücke mit gelben Zöpfen.
»Hau ab! Du siehst wie eine dämliche Puppe aus.«
»Ach, sei doch nicht so, Süßer … Gib mir einen Schmatz, Legat.«
»Ich bin nicht dein Süßer, Herzchen. Fröhliche Feiertage – und mach dich vom Acker, sonst kriegst du ein Saturnaliengeschenk, dass dir gar nicht gefallen wird.«
»Spielverderber!« Das korpulente Dämchen hörte auf uns zu belästigen, aber erst, nachdem wir mit feiertäglichem Gemüse bombardiert worden waren. Ich warf zurück, mit besserer Zielgenauigkeit, und er flitzte davon.
»Ich hasse dieses Fest!«
»Beruhige dich, Marcus. Im Transtiberim ist es immer so.«
»Es muss doch bessere Möglichkeiten geben, das Ende der Ernte und das Pflanzen neuer Feldfrüchte zu feiern als Sklaven den ganzen Tag Würfel spielen und bekloppte Kohlverkäufer in Mädchenkleidern rumlaufen zu lassen.«
»Ist alles für die Kinder«, murmelte Helena.
»Was? Damit sie noch mehr Geschenke verlangen, als sie sowieso schon bekommen? Sich mit Kuchen vollstopfen, bis ihnen schlecht wird? Lernen, wie man ein Feuer durch Pissen in die Feuerstelle auslöscht? O Saturn und Ops, wie viele versengte Pos werden die Ärzte nächste Woche behandeln müssen? Und was das Beenden von Streitigkeiten und Kriegen betrifft – während der Saturnalien und zu Neujahr gibt es mehr unnatürliche Todesfälle als zu jeder anderen Alltags- oder Feiertagszeit. Ausgelassenheit führt zu Mord!«
Helena gelang es, zu Wort zu kommen. »Gratianus Scaeva wurde nicht während der Feiertage ermordet.«
»Stimmt.«
Viele Menschen würden in dieser Woche einen Kater haben. Wenige würden beschließen, Enthauptung sei eine verlässliche Heilmethode. Helena hatte mich erfolgreich abgelenkt.
War der zeitliche Ablauf der Ereignisse in Quadrumatus’ Haus von Bedeutung? Ich konnte das nicht erkennen. Veleda würde mit dem Mummenschanz nichts am Hut haben. Man mochte ihr zwar das fröhliche Fest für Saturn erklärt haben, aber
Weitere Kostenlose Bücher