Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord im Garten des Sokrates

Mord im Garten des Sokrates

Titel: Mord im Garten des Sokrates Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Berst
Vom Netzwerk:
ein wenig Silber einstecken, zumal Alkibiades sich den Landungsschein sicher teuer hatte bezahlen lassen? Der Perser hätte mich für einen Idioten gehalten, wenn ich das Geld nicht angenommen hätte. Trotzdem blieb mir ein fahler Geschmack im Mund. Vielleicht hatte Sokrates ja recht, vielleicht sollte sich der Hauptmann der Toxotai über die Frage, was Gerechtigkeit sei, öfter Gedanken machen?
    Als ich wieder in Athen ankam, war die schlimmste Mittagshitze überstanden. Ich ließ Ariadne in der Kaserne und ging zu einem naheliegenden, von Kolonnaden gesäumten Sportplatz, einer Palaistra . Lykon war oft dort. Ich wollte mit ihm noch einmal über Kritias sprechen, aber ich sah ihn nirgendwo, und er tauchte an diesem frühen Abend auch nicht auf. Ich war verdreckt und verschwitzt und reinigte mich in einem der Waschräume, bevor ich auf den Übungsplatz ging. In einem Knaben, der sich zur Vorbereitung eines Ringkampfes den ganzen Körper mit Öl einrieb, erkannte ich einen Freund meines Geliebten. Ich fragte nach ihm. Aber auch er hatte Lykon nicht gesehen und wusste auch nicht, wo er war.
    Sauber und erfrischt trat ich auf den Platz und lief ein paar Runden, vielleicht fünf oder sechs Stadien lang. Dann sah ich den Jünglingen beim Ringen zu. Lykons Freund winkte mich zu sich und forderte mich zu einem Kampf heraus. Ich nahm gerne an. Er war drahtig und sehnig, glitschig wie ein Fisch und kaum zu fassen. Ich brauchte unerwartet lange, bis es mir gelang, einen Griff unter seine Achsel zu setzen und ihn über meine Schulter zu werfen. Aber noch mit dem Kopf in der Luft packte er mein Knie und versuchte, mich aus dem Gleichgewicht zu bringen. Er gebärdete sich wie ein toller Hund. Ich musste ihn fallen lassen, um nicht selbst zu stürzen, und er schlug hart auf den Boden. Weil ich fürchtete, er könne sich verletzt haben, beugte ich mich über ihn. Er aber grinste mich nur an, küsste mich blitzschnell auf den Mund und sprang behände auf. Er war ein frecher und hübscher Kerl, ohne Zweifel, aber Lykon sicher kein guter Freund.
    «Du solltest dich einem älteren Mann nicht so anbieten», sagte ich, während er um mich herumtanzte. «Was der Mensch ohne Mühe haben kann, daran verliert er meist schnell das Interesse.»
    «Ach ja», entgegnete der Jüngling schnippisch, «und weiß dein kleiner Geliebter das auch?» Und mit diesen Worten rannte er lachend davon.
    Ich ging zurück in das Badezimmer, wusch mich abermals gründlich und warf den sauberen Chiton über, den ich mir aus der Kaserne mitgebracht hatte. Meinen Harnisch und mein Schwert schulterte ich. Was sollte der Kerl wohl gemeint haben?
    Auf dem Rückweg ging ich noch einmal über den Marktplatz, um nach Lykon zu suchen, und warf einen Blick in die bunte Stoa. Lykon war gerne hier. Er liebte die Gemälde, die dort hingen, und bewunderte die ausgestellten Waffen.
    Ich sah viele bekannte Gesichter. Sokrates – augenscheinlich hatte er es bei seinem Weib nicht lange ausgehalten – stand inmitten einer Gruppe von Leuten und sprach angeregt, wie man dies von ihm kannte. Lysias und Gorgias waren bei ihm. Sie waren die berühmtesten Redner und Redenschreiber der Stadt. Sokrates aber hörten sie zu. Ich grüßte von Weitem. Sokrates winkte mich zu sich, aber ich leistete der Einladung keine Folge.
    Auch hier war Lykon nirgendwo zu sehen. Ich gab die Suche auf, ohne deswegen allzu traurig zu sein. Ich war müde und wollte nach Hause. Aspasia wartete.
die sonne stand nur noch knapp über den westlichen Gipfeln, als ich meinen Weg zum Kerameikos einschlug. Dies ist ein magischer Moment, denn mit der ersten Abendstunde tauchen ihre Strahlen die umliegenden Berge, den Saronischen Golf und endlich ganz Athen in ein feuriges, leuchtendes Purpur. Die Stadt erblüht in Schönheit wie eine Hyazinthe, und man versteht, wieso zu Anbeginn der Zeit die Göttin Athene mit ihrem Onkel Poseidon um diesen Besitz stritt, bis Zeus ein Machtwort für seine Tochter und wider seinen Bruder sprach. Wie das gleißende Weiß des Tages dem Violett des Abends weicht, weichen die Hitze und der Lärm aus den Gassen. Die Stunden vor Einbruch der Nacht sind mild. Es ist, als setze ein jeder sich für einen Moment zur Ruhe.
    An diesem Abend jedoch war die Ruhe trügerisch. Ich bog gerade in die kleine Straße zu unserem Haus ein und war in Gedanken schon in unserem Garten, als sie vor mir standen. Sie waren zu zweit, zwei junge Kerle mit bösen Gesichtern. Es war, als wären sie aus dem Nichts

Weitere Kostenlose Bücher