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Mord im Garten des Sokrates

Mord im Garten des Sokrates

Titel: Mord im Garten des Sokrates Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Berst
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Obst, das ich mitgenommen hatte. Ariadne stand neben mir und äste. Lichtstrahlen fielen durch die flirrenden Baumkronen und tanzten mit den Schatten. In dem Bachbett vor mir leuchteten weiße Kiesel. Plötzlich hörte ich ein leises Knacken und erblickte ein Kaninchen hinter einer jungen Kiefer, vielleicht zehn Klafter entfernt. Ich richtete mich leise auf und nahm meinen Bogen, den Ariadne an ihrem Sattel trug. Das Kaninchen bewegte sich nicht, nur seine Augen zuckten unruhig. Ich legte auf und spannte die Sehne. Die Pfeilspitze schimmerte im Wechsellicht des Waldes. Ein Geräusch, plötzlich sprang das Tier auf. Surrend schnellte der Pfeil von der Sehne. Von der Wucht des Geschosses erfasst, stürzte das Tier zu Boden. Es war tödlich in die Kehle getroffen.
    Das tote Kaninchen über den Rücken meines Pferdes geworfen, machte ich mich wieder auf den Weg. Der Pfad wurde flacher, wir verließen bald das Wäldchen, und der Blick öffnete sich. Ich lockerte die Zügel und drückte der Stute meine Fersen in die Flanken. Sie nahm Tempo auf und galoppierte über die weite Fläche nach dem Meere zu. Schon schienen ihre Hufe den Boden nicht mehr zu berühren, so schnell und gleichmäßig war ihr Schritt. Allmählich stieg mir ein Duft in die Nase, dessen erster Eindruck mich immer wieder überrascht: der Geruch von Salz und Fischen, der Geruch der Gischt, die sich über dem Wasser kräuselt, der Wellen, die gegen die Felsen schlagen – der Duft des Meeres, dem wir Athener alles verdanken. Piräus war nicht mehr weit. Schon sah man die Möwen über den Schiffen kreisen und die großen Kräne über den Frachtschiffen aufgerichtet beim Löschen der Ladung. Bald trabte ich durch das untere Tor und über die Hauptstraße zum Handelshafen Kantharos hin. Er ist der größte unserer drei Häfen, gleichwohl liegt sein Korridor zur See noch im Schutz der Langen Mauer.
    Piräus ist nach den Plänen des Hippodamos erbaut, ihre Straßen bildeten ein rechtwinkliges Netz. Trotzdem bleibt sie eine kaum zu überblickende, bunte, laute, von Menschen und Tieren überfüllte Hafenstadt. Hier reihen sich Häuser, Lager, Schuppen und Speicher aneinander; das Geschrei der Menschen hallt von Schiff zu Dock und über die Straßen und nimmt die ganze Stadt ein. Die Leiber der schwitzenden Sklaven, die schuften und schleppen, überfüllen die engen Wege. An jeder Ecke steht ein käuflicher Knabe mit falschem Lachen oder eine Dirne mit nackten Brüsten. Hier gibt es keinen Baum oder Strauch mehr. Der Duft des Meeres, den ich aus der Ferne gerochen hatte, war dem Gestank der schmutzigen Wasser und fauler Takelagen gewichen.
    Die Masten des persischen Schiffes waren von Weitem schon zu sehen. Im Handelshafen fand ich es angedockt. Es war gewaltig; neben ihm wirkten unsere griechischen Frachter wie Nussschalen. Trotzdem lag es leicht im Wasser. Es musste schnell sein, wenn die zwei Rah-Segel gut im Wind standen. An Deck machten sich zwei Seeleute zu schaffen. Als sie mich kommen sahen, riefen sie etwas in Richtung Kajüte. Die erhob sich hinter dem Hauptmast und war sicher für den Kapitän und die besseren Passagiere. An den Flanken des imponierenden Seglers prangten persische Götzen mit fratzenhaften Gesichtern. Der Bug war mit einem großen Auge und der Hälfte eines lachenden Mundes verziert, aus dem wie eine böse Zunge ein Rammsporn herausragte. Ein Handelsschiff, aber alles andere als wehrlos.
    Ein paar Bogenschützen hatten auf dem Kai Stellung bezogen, um zu verhindern, dass Athen heute ungebetene Gäste erhielt. Sie grüßten mich. Ein junger Unteroffizier half mir beim Absteigen und zeigte auf einen vornehmen, in ein blaues Gewand gehüllten Perser, der auf den Zuruf der Matrosen hin hinter der Kajüte aufgetaucht war und mich von dort aus betrachtete. Er schien etwa dreißig und damit in meinem Alter zu sein. Sein Gesicht war von schwarzen, kurzen und krausen Haupt- und Barthaaren eingerahmt, seine Oberlippe dagegen rasiert. Eine breite und klobige, dabei aber kurze Nase steckte in seinem Gesicht. Seine Augen waren spöttisch auf mich gerichtet und klug.
    «Bist du der Kapitän dieses Schiffes?», rief ich nach oben, worauf er nickte. «Ich bin der Hauptmann der Toxotai. Ich komme rauf.»
    «Es wird Zeit, dass jemand kommt und uns an Land lässt», antwortete er in bestem Griechisch. Nur ein leichter Akzent verriet, dass er von barbarischer Zunge war. Über eine schmale Planke kletterte ich an Bord. Beim letzten Schritt wollte mir der

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