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Mord im Garten des Sokrates

Mord im Garten des Sokrates

Titel: Mord im Garten des Sokrates Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Berst
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unantastbare Führer-Kaste bildeten – bewacht von Soldaten und versorgt durch entrechtete Bauern –, aber das seien Träume. Er rede sogar davon, das Eigentum abzuschaffen, was den Aristokraten um ihn herum nun gar nicht gefalle. Von ihm habe man kaum etwas zu befürchten. Charmides dagegen sei älter und viel gefährlicher als sein Neffe Platon. Ihm trauten die Demokraten alles zu, wenn es ihm nur nutze. Beide, Charmides und Platon, hätten außerdem regen Kontakt zu Kritias. Ihn hätten sie gerade in den letzten Wochen oft getroffen, und Kritias fürchteten die Demokraten wie keinen anderen.
«Was ist mit Platons Bruder?», fragte ich.
«Glaukon?» Thrasybulos lachte. Ein Aufschneider sei er, der mit dem Geld seiner Eltern um sich werfe, dumm und prahlerisch. Platon schäme sich für ihn, Periander sei ihm aus dem Weg gegangen. Der sei keine Gefahr.
«Und Sokrates?», fragte ich Thrasybulos ein wenig bange. «Gehört er auch zu dieser Clique?»
Mein Vater räusperte sich tadelnd, blieb aber weiter still und hörte zu.
«Nein», antwortete Thrasybulos, «er gehört nicht zu ihnen. Charmides, Platon und die anderen treffen sich in der Regel ohne Sokrates, wenn sie über Politik sprechen. Platon soll ihm einmal eine Art Theaterstück vorgelesen haben, in welchem er Sokrates selbst auftreten lässt. Dieser Sokrates spricht darin über den Gelehrtenstaat. Der echte Sokrates hat ihn ausgelacht. Platon soll sehr getroffen gewesen sein.»
Ich war beruhigt. «Woher wisst ihr diese Dinge?», fragte ich Thrasybulos, nachdem er mit seinem Bericht zu Ende gekommen war.
«Es gibt Demokraten unter Sokrates’ Schülern», antwortete er, «einer von ihnen hält uns auf dem Laufenden, so gut er kann. Aber wenn die Oligarchen sich treffen, wird er nicht eingeladen. Der innerste Kreis bleibt unter sich.»
«Wie heißt der Mann?», fragte ich. Thrasybulos verschloss mit Zeigefinger und Daumen seine Lippen. Dies durfte er mir nicht anvertrauen. Schon von dem Schüler zu wissen, war beinahe zu viel.
«Welche Rolle spielte Periander in dieser Gruppe?»
«Er war Mitglied im innersten Kreis und muss sehr beliebt gewesen sein», antwortete Thrasybulos, «gut und schön zugleich. Du weißt, was das bedeutet.» Ich nickte, natürlich wusste ich das. Die Verbindung von Schönheit und Güte, das war es, wonach wir Hellenen strebten.
«War er mit jemandem besonders eng befreundet?»
«Oh, ja», antwortete Thrasybulos mit einem Unterton, den ich erst später zu deuten vermochte, «mit Platon.» Ich zögerte einen Moment, bevor ich weiterfragte und überlegte, ob in Thrasybulos’ Bemerkung vielleicht etwas Anzügliches mitklang, verwarf den Gedanken aber wieder. «Wo trifft sich der Kreis?» fuhr ich fort.
«Überall, wo man ungestört sein kann, soviel wir wissen. Oft sind sie bei Kritias oder Charmides zu Hause, um sich zu sehen. Trinkgelage mit hübschen Knaben stehen bei Kritias hoch im Kurs, und sie feiern sie reichlich. Manchmal treffen sie sich aber auch in einem Garten außerhalb der Stadt. Er gehört Platon.»
«Und waren sie vorgestern Nacht zusammen?»
«Das weiß ich nicht», erwiderte er. «Ich dachte mir schon, dass du gerade danach fragen würdest, aber das hat unser Spion nicht in Erfahrung bringen können.»
Teka kam aus dem Haus und brachte uns eine Schale mit Gebäck und einen Krug Wein. Ich bat Thrasybulos, mit uns zu essen und zu trinken. Die Teigtaschen waren noch heiß, wir verbrannten uns beinahe die Finger daran, aber sie schmeckten köstlich. Ich wusste, Aspasia musste sie gebacken haben, und hierin lagen zwei Botschaften an mich: Die wichtigste lautete: Sie hatte mir verziehen. Und die zweite: Ich konnte Thrasybulos vertrauen – sonst hätte sie nicht für ihn gekocht, und sie war, wie es vielleicht in der Natur des Weibes liegt, eine gute Menschenkennerin.
«Wieso will die demokratische Partei mir helfen?», fragte ich zwischen zwei Bissen unvermittelt und hörte wieder das tadelnde Räuspern meines Vaters. Er hielt es für ebenso taktlos wie dumm, gewisse Dinge allzu freimütig anzusprechen, bekam man in Athen doch auf eine klare Frage meist eine trübe Lüge zur Antwort. Thrasybulos aber zeigte ein offenes Gesicht, schluckte seinen Bissen herunter und reinigte sich die Finger.
«Es gibt zwei Gründe dafür», sagte er ehrlich, wie mir schien, «beide haben gleiches Gewicht. Viele der Älteren unter uns sind Freunde deines Vaters. Für sie ist es schlichte Freundesschuld, wenn sie dir helfen.» Mein Vater

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