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Mord im Garten des Sokrates

Mord im Garten des Sokrates

Titel: Mord im Garten des Sokrates Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Berst
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aufgetaucht. Der eine hielt mich fest, der andere schlug mir hart in die Magengrube. Ich ging sofort zu Boden. Sie lachten. Zwei Tritte in die Rippen, ich krümmte mich und versuchte meinen Kopf zu schützen. Wieder das böse Lachen. «He, was ist da los?!», hörte ich plötzlich eine Stimme rufen, «verschwindet!» Schnelle Schritte. Die zwei liefen davon. Janos, ein Nachbar, kam aufgeregt zu mir gerannt. Er hatte einen Knüppel in der Hand.
    «Um Gottes willen, Nikomachos», sagte er und half mir aufzustehen, «ist alles in Ordnung? Geht es dir gut?»
«Geht schon, Janos, danke», sagte ich, als ich wieder auf den Füßen stand, und befühlte meine lädierten Rippen. Sie schmerzten, schienen aber wenigstens nicht gebrochen. «Wenn du nicht da gewesen wärst, wäre die Sache übel ausgegangen.»
«Was wollten diese Kerle?», fragte Janos, immer noch außer Atem.
«Ich weiß es nicht. Mich ausrauben oder …» Ich sprach nicht weiter. Ich mochte meinem Nachbarn nicht sagen, worin die zweite Möglichkeit bestand: Dass mir jemand einen Denkzettel verpassen wollte, bevor ich meine Nase allzu tief in fremde Angelegenheiten steckte. Ich schlug den Staub aus meinem Chiton. Aspasia sollte nichts bemerken. Sie sorgte sich sonst zu sehr. Dann bedankte ich mich noch einmal bei Janos und bat ihn, niemandem etwas von dem Überfall zu erzählen. Er war ein gutmütiger und liebenswerter Mann und versprach zu schweigen, obwohl er den Grund für meine Bitte nicht verstand. Als ich weiterging, fühlte ich, wie er mir besorgt nachsah.
Die Tritte in die Rippen waren hart gewesen, aber mein Gesicht war unverletzt. Mit ein bisschen Glück konnte ich den Überfall vor meiner Familie verheimlichen. Angeschlagen, wie ich war, ging ich nach Hause. Aber der Tag wollte mir noch immer keinen Frieden gönnen. Als ich in unseren Garten trat, traf ich auf einen mir unbekannten Mann, der zusammen mit meinem Vater am Tisch saß und scherzte; gerade brachte unsere alte Sklavin Teka den beiden einen Krug Wasser. Aspasia und die Kinder waren nicht zu sehen. Ich hörte aber ihre Stimmen im Haus, was mich beruhigte.
Als mich die Männer sahen, wurden ihre Gesichter ernster. Sie standen gemeinsam auf und traten auf mich zu.
Mein Vater bemerkte sofort, dass irgendetwas vorgefallen war, fragte vor dem Fremden aber nicht nach. Stattdessen machte er uns miteinander bekannt. Unser Besucher war ein paar Jahre älter als ich, von eher kleiner Statur und ein wenig untersetzt. Er wirkte unscheinbar und freundlich. Erst wenn man ihn länger ansah, bemerkte man seine ungewöhnlich ruhigen und dunklen Augen. Offen und ehrlich sah er damit in die Welt und offen und ehrlich schien sein ganzes Wesen. Unser Gast hieß Thrasybulos. Er war Mitglied der demokratischen Partei. Man hatte ihn zu mir geschickt, um mir zu helfen, was er sofort bekannte, nachdem die ersten Höflichkeiten ausgetauscht waren. Er sah sich um, wie um sicher zu sein, dass ihn niemand belauschte. Dann flüsterte er: «Wir wissen um deinen Auftrag. Wir wollen dich unterstützen.» Ich warf meinem Vater einen vorwurfsvollen Blick zu, weil ich dachte, er hätte sich an seine alten Freunde gewandt. Aber er schüttelte den Kopf und hob die Hände. Thrasybulos verstand unser stummes Zwiegespräch.
«Nein, Nikomachos, dein Vater hat mit meinem Besuch nichts zu tun. Wir haben auf anderen Wegen von deinem Auftrag erfahren. Auf unseren Wegen.»
Wir setzten uns an den Tisch unter dem Feigenbaum. Ich griff mir unwillkürlich an die Seite und fühlte sofort den fragenden Blick meines Vaters. Ich gab ihm ein Zeichen, sich zu gedulden. Die Sonne ging allmählich unter und verabschiedete sich mit einem letzten purpurnen Gruß, den sie in den Himmel malte. Der lange Schatten des Haupthauses lag nun ganz über dem Garten. Ein leichter Wind fiel von den Bergen und reinigte die Luft.
Was Thrasybulos berichtete, bestätigte meine Befürchtungen: Periander selbst, Charmides, Platon sowie einige andere Sokratesschüler aus den reichsten Athener Kreisen waren Anhänger der oligarchischen Bewegung. Ob sie nur ihre Köpfe zusammensteckten und hitzig debattierten, wie es das Privileg der Jugend ist, oder schon Teil einer Verschwörung und entsprechend gefährlich waren, darüber waren sich die Demokraten nicht sicher. Platon zum Beispiel sei ungemein klug, aber mit seinen zwanzig Jahren kaum dem Ephebenat erwachsen, in sich gekehrt, schüchtern und zurückhaltend. Er spreche zwar von einem Staat, in welchem die Gelehrten eine

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