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Mord im Herbst: Roman (German Edition)

Mord im Herbst: Roman (German Edition)

Titel: Mord im Herbst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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stellen lassen. Ihre Mutter muss Ihnen doch etwas erzählt haben.«
    »Da gab es doch nicht viel zu erzählen.«
    »Aber Ihre Großeltern sind verschwunden. Spurlos. Ist das nicht erzählenswert?«
    »Aber Herrgott! Sie sind doch zurückgekommen!«
    Wallander starrte sie an.
    »Was meinen Sie damit?«
    »Was soll ich denn damit meinen!«
    »Ich brauche Einzelheiten!«
    »Sie sind zurückgekommen. Sie haben den Wagen in der Nacht verlassen, haben das Nötigste mitgenommen und sind verschwunden. Ich glaube, sie lebten ein paar Jahre auf einem Hof oben in Småland. Dann, als sich alles wieder beruhigt hatte, kamen sie zurück. Sie änderten ihre Namen und die Frisuren, und niemand fragte mehr nach den Diebstählen.«
    »Den Diebstählen?«
    »Wissen Sie überhaupt nichts?«
    »Sie sind hier, um es mir zu erklären.«
    »Sie waren bei einem Landwirt in der Gegend eingebrochen. Aber dann kriegten sie kalte Füße. Nahmen mit, was sie tragen konnten, machten sich aus dem Staub und hielten sich bedeckt. Ich glaube, Richard nannte sich später Arvid und Irina Helena. Ich habe sie nur ein paarmal gesehen. Aber ich mochte sie. Großvater starb Anfang der Siebzigerjahre, Großmutter ein paar Jahre nach ihm. Sie sind auf dem Friedhof von Hässleholm begraben. Aber nicht unter ihren richtigen Namen.«
    Wallander saß stumm da. Er zweifelte keinen Augenblick daran, dass das, was er gerade gehört hatte, die Wahrheit war. Wort für Wort.
    Das zurückgelassene Pferd und der Wagen waren eine Spur, die ins Leere führte. Seit sechzig Jahren.
    Enttäuschung überfiel ihn. Aber gleichzeitig war er erleichtert, dass sie nicht allzu viel Kraft und Energie unnötig aufgewendet hatten.
    »Warum fragen Sie nach alldem?«
    »Eine alte Ermittlung muss zu Ende gebracht werden. Zwei Skelette, die in einem Garten gefunden wurden. Sie haben vielleicht in der Zeitung davon gelesen? Das Lebensmittelgeschäft in Limhamn überlasse ich mal den Kollegen in Malmö.«
    »Das war ich nicht.«
    »Ich höre, dass Sie das sagen.«
    »Kann ich jetzt gehen?«
    »Sie können.«
    Er brachte sie bis zur Anmeldung.
    »Ich mochte sie«, sagte sie beim Abschied. »Beide, Großvater und Großmutter. Sie waren komische Menschen. Scheu und offen gleichzeitig. Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit mit ihnen verbringen können.«
    Wallander sah sie auf ihren hohen Hacken davonstelzen. Er dachte, dass sie ein Mensch war, den er in seinem Leben wohl nie wiedertreffen würde. Aber sicher kein Mensch, den er so bald vergessen würde.
    Kurz vor zwölf sprach er mit Stefan Lindman und Martinsson. Er teilte ihnen mit, dass die Spur erkaltet war. Sie konnten einen Strich darunter ziehen und weitergehen. Anschließend informierte er die Staatsanwältin.
    Den Rest des Tages nahm Wallander frei. Er kaufte sich in einem Laden unten am Marktplatz ein neues Hemd, aß in einem Restaurant eine Pizza und ging dann nach Hause in die Mariagatan.
    Als Linda am Abend in die Wohnung kam, war er schon eingeschlafen.

20.
     
    Der nächste Tag war ein klarer Dezembertag mit funkelnder Sonne. Wallander stand früh auf und machte einen langen Spaziergang am Meer, bevor er gegen acht Uhr beschloss, wieder Kriminalbeamter zu werden, und ins Polizeipräsidium zurückkehrte. Er würde einen Schritt zurück machen müssen, um die Ermittlung da wieder aufzugreifen, wo sie sie hatten ruhen lassen, als Larssons Spur aufgetaucht war.
    Bevor er sich an die Arbeit machte, hatte er jedoch noch ein Telefongespräch zu führen. Er suchte die Nummer heraus. Erst nach langem Klingeln wurde abgenommen.
    »Larsson.«
    »Hier ist Wallander. Danke für neulich.«
    »Und ich danke, dass du gekommen bist.«
    »Ich wollte nur berichten, dass wir deinen Tipp untersucht haben. Es gab eine natürliche Erklärung. Wenn du möchtest, erzähle ich es dir.«
    »Natürlich interessiert es mich.«
    Wallander erklärte, was sie herausgefunden hatten. Simon Larsson hörte schweigend zu.
    »Dann weiß ich jetzt wenigstens, was damals passiert ist«, sagte er schließlich. »Aber es tut mir leid, dass ich euch unnötige Arbeit gemacht habe.«
    »Nichts ist unnötig«, entgegnete Wallander. »Du weißt ja, was es heißt, Polizist zu sein. Oft ist es genauso wichtig, Lösungen ausschließen zu können, wie sie zu finden.«
    »Vielleicht hast du recht. Aber ich bin jetzt so alt, dass ich nicht mehr viel davon in Erinnerung habe.«
    »An deinem Gedächtnis gibt es nichts auszusetzen. Das hast du ja unter Beweis gestellt.«
    Wallander

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