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Mord im Herbst: Roman (German Edition)

Mord im Herbst: Roman (German Edition)

Titel: Mord im Herbst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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sicher.«
    Martinsson schien enttäuscht zu sein. Aber er sagte nichts, sondern ging aus dem Zimmer. Wallander öffnete eine Flasche Mineralwasser, setzte sich und legte die Füße auf den Tisch.
     
    Er hätte fast ein Haus gekauft. Aber plötzlich waren zwei Tote an dessen Stelle getreten, die lange in der Erde gelegen hatten und jetzt an die Oberfläche gekommen waren.
     
    Er wünschte sich, sein Traum von einem Haus wäre nicht wie ein Troll geheimnisvoll und schnell zerplatzt, wenn die Sonne darauf schien.
     
    Er konnte sich nicht erinnern, wann er sich zuletzt so lustlos gefühlt hatte. Woran lag es? An der Enttäuschung, die er sich nicht eingestehen mochte? Oder war es etwas anderes?

21.
     
    Wallander hatte schon vor vielen Jahren gelernt, dass Geduld mit sich selbst eine der vielen Tugenden war, über die ein Polizist verfügen sollte. Es gab immer Tage, an denen nichts geschah, an denen eine Ermittlung festgefahren war und sich weder vorwärts noch rückwärts bewegte. Dann brauchte man Geduld, um den Moment abzuwarten, in dem das Problem zu lösen war. Polizisten konnten ungeduldig sein. Sie konnten schnell und mit großer Energie arbeiten. Aber sie durften die Geduld nicht verlieren, wenn es nicht voranging mit einem Fall.
    Zwei Tage lang passierte nichts, zumindest nichts Nennenswertes. Wallander und seine Kollegen gruben sich immer tiefer hinein in diverse Archive, sie gruben unterirdische Gänge im Dunkeln wie die Maulwürfe. Dann und wann trafen sie sich beim Kaffee, tauschten sich aus, stimmten sich miteinander ab und kehrten dann wieder zurück zu ihrer Wühlarbeit.
    Vor den Fenstern des Polizeipräsidiums konnte das Wetter sich nicht entscheiden, ob es Winter werden wollte oder nicht. An einem Tag war es kalt, und Schneeflocken schwebten zu Boden, am nächsten Tag waren wieder Plusgrade, und trostlose Regenschwaden trieben von der Ostsee herein.
    Es war einige Minuten nach neun Uhr am Morgen des 6. Dezember, als das Telefon auf Wallanders überquellendem Schreibtisch klingelte. Er fuhr zusammen, riss den Hörer ans Ohr und nannte seinen Namen. Zuerst erkannte er die Stimme nicht. Es war eine Frau, die ein stark ausgeprägtes Schonisch sprach.
    Dann fiel ihm ein, dass er die Frau erst kürzlich getroffen hatte. Es war Katja Blomberg.
    »Ich habe nachgedacht«, sagte sie. »Es ging mir nicht aus dem Kopf, seit ich mit Ihnen geredet habe. Und dann habe ich von diesen verschwundenen Menschen gelesen. Und da ist mir etwas eingefallen. Die Kiste auf dem Dachboden.«
    »Ich bin nicht ganz sicher, ob ich verstehe, was Sie meinen.«
    »Alles, was ich von meinen Großeltern geerbt habe, ist in einer alten Kiste verwahrt. Seit ihrem Tod steht sie auf dem Dachboden. Ich hatte das Gefühl, dass der Name Ludvig Hansson mir bekannt vorkam. Er war es, bei dem sie eingebrochen hatten. Also habe ich mir die alte Kiste noch mal vorgenommen. Das hatte ich viele Jahre nicht getan. Da gab es eine Reihe von Tagebüchern. Kalender, sollte ich wohl eher sagen. Die hatten Ludvig Hansson gehört. Ich dachte, Sie sollten sich die vielleicht einmal ansehen.«
    »Kalender?«
    »Er hat aufgeschrieben, wann er ausgesät und wann er geerntet hat. Er schrieb auf, was die Sachen kosteten. Aber er hat auch ein paar andere Dinge notiert.«
    »Was zum Beispiel?«
    »Über die Familie und Freunde und Leute, die zu Besuch kamen.«
    Wallander war plötzlich interessiert.
    »In diese Kalender hat er also in den Kriegsjahren geschrieben?«
    »Ja.«
    »Ich will sie mir gern einmal ansehen. Am liebsten sofort.«
    »Ich kann sie Ihnen gleich vorbeibringen.«
     
    Eine Stunde später saß Katja Blomberg wieder an seinem Schreibtisch und rauchte. Sie hatte eine alte Holzkiste vor sich auf den Tisch gestellt.
    Die Kiste enthielt Kalender in schwarzem Ledereinband. Auf den Umschlägen stand in Goldprägung die Jahreszahl. Auf der ersten Seite hatte Ludvig Hansson immer seinen Namen geschrieben. In der Kiste waren vier Kalender. 1941, 1942, 1943, 1944. Außerdem lagen noch alte Rechnungen darin. Wallander setzte die Brille auf und blätterte in den Kalendern. Er begann mit dem Jahr 1941. Tatsächlich gab es Eintragungen über Aussaat und Ernte, über eine defekte Mähmaschine und über ein Pferd, das am 12. September »auf mysteriöse Weise« starb. Es fanden sich Angaben über Kühe und Milchmengen, über Schweineschlachtungen und Eierverkauf. Dann und wann hatte Ludvig Hansson auch extreme Temperaturen notiert. Eine Woche im Dezember 1943 war

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