Mord im Herbst: Roman (German Edition)
merkte, dass Simon Larsson Lust hatte, weiterzureden. Obwohl sie nichts mehr zu sagen hatten, klammerte er sich ans Telefon. Wallander dachte an die Frau, die er auf dem Bett hatte liegen und schlafen sehen.
Schließlich gelang es ihm, das Gespräch zu beenden, und er fragte sich, was es für ihn selbst bedeuten würde, alt zu werden. Wie würde er es ertragen, alt und geschwätzig zu werden?
Um neun Uhr trafen sie sich im Sitzungszimmer.
»Wir müssen wieder da anfangen, wo wir vor den Peterssons aufgehört haben«, sagte Wallander. »Es gibt eine Lösung, auch wenn wir sie im Augenblick nicht erkennen können.«
»Ich denke wie du«, sagte Martinsson. »Schweden ist ein kleines Land. Aber mit einer extrem guten Kontrolle über die Einwohner. So war es vor sechzig Jahren auch, selbst wenn wir nicht mit all den Codes ausgestattet waren, die uns heute von der Wiege bis zur Bahre begleiten. Irgendjemand muss diese Menschen vermisst haben. Irgendjemand muss nach ihnen gefragt haben.«
Wallander hatte eine neue Idee.
»Du hast recht. Jemand hätte sie vermissen müssen. Zwei verschwundene Menschen in mittleren Jahren. Aber wenn wir uns einmal vorstellen, dass niemand sie vermisst hat? Keiner hat danach gefragt, was aus ihnen geworden ist? Das ist ja auch eine Geschichte. Niemand vermisst sie, weil niemand weiß, dass sie weg sind.«
»Vielleicht. Aber ebenso gut kann es sein, dass jemand sie vermisst hat. Nur nicht hier.«
»Jetzt kann ich dir nicht folgen.«
Stefan Lindman mischte sich ins Gespräch.
»Du denkst an den Zweiten Weltkrieg. Wir haben schon einmal darüber gesprochen. Schonen war ein Grenzland, umgeben von Ländern im Krieg. Deutsche und britische Bomber mussten Notlandungen auf unseren Feldern machen, Flüchtlinge kamen von verschiedenen Seiten.«
»Ungefähr so«, sagte Wallander. »Wir sollten uns nicht von voreiligen Schlüssen in die Irre führen lassen. Wir müssen freie Sicht behalten. Es gibt viele Erklärungen, nicht nur die, von denen unsere Erfahrung uns glauben lässt, sie seien am wahrscheinlichsten. Es kann auch eine Lösung geben, an die wir noch gar nicht gedacht haben. Das wollte ich nur sagen.«
»Es war nichts Ungewöhnliches, dass die Leute sich ein bisschen extra damit verdienten, an Flüchtlinge zu vermieten oder sich um sie zu kümmern.«
»Und wer hat das bezahlt?«
»Sie hatten ihre eigenen Organisationen. Leute mit Geld halfen denen, die nichts hatten. Das brachte den Bauern Nebeneinkünfte. Und kaum jemand dürfte sie versteuert haben.«
Martinsson zog einen Aktenordner, der auf dem Tisch lag, zu sich.
»Stina Hurlén hat uns noch einen Nachtrag geschickt«, sagte er. »Nichts, was das, was wir schon wissen, verändert. Sie stellt lediglich fest, dass die Frau schlechte Zähne hatte, während die des Mannes nahezu perfekt waren.«
»Glaubst du, es gibt so alte Zahnarztarchive?«
»Daran habe ich nicht gedacht. Stina Hurlén auch nicht. Es ist nur eine Feststellung. Einer der Toten hatte viele Zahnfüllungen, der andere hatte tadellose Zähne. Auch das sagt ja etwas aus, auch wenn wir nicht wissen, was es bedeutet.«
Wallander machte sich eine Notiz wegen der Zähne und legte den Zettel in seine Mappe.
»Was schreibt sie sonst noch?«
»Nichts, was im Moment von Bedeutung wäre. Der Mann hatte einmal einen Arm gebrochen. Den linken. Es könnte etwas bedeuten, wenn wir ihre Identität kennen.«
»Stimmt«, sagte Wallander. »Aber lasst uns das mit den Zahnarztarchiven einmal nachprüfen.«
Sie gingen das gesamte Ermittlungsmaterial noch einmal durch. Es gab eine Reihe von Ansätzen, die sie noch nicht weiterverfolgt hatten. Als sie sich vor der Mittagspause trennten, hatten sie den Plan für die nächsten Tage festgelegt.
Martinsson hielt Wallander zurück, nachdem Stefan Lindman gegangen war.
»Was machen wir mit dem Haus?«
»Im Moment ist es nicht besonders aktuell. Das verstehst du sicher.«
»Natürlich verstehe ich das. Aber ich dachte, dass du ein bisschen mehr Zeit haben solltest. Meine Frau ist der gleichen Meinung. Es kann ja sein, dass du die Sache anders siehst, wenn wir im besten Fall eine Lösung haben und wissen, was es mit den Skeletten auf sich hat.«
Wallander schüttelte den Kopf.
»Ich glaube, ihr solltet euch nach einem anderen Käufer umsehen. Ich kann nicht an einem Ort leben, an dem höchstwahrscheinlich ein Verbrechen verübt wurde. Daran würde es auch nichts ändern, wenn wir das Ganze aufklären.«
»Bist du sicher?«
»Ganz
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