Mord Im Kloster
Fittiche zu nehmen, und sprach später auch mit Neville darüber. Er war erleichtert über seinen Entschluss.
Aber noch bevor er im Kloster alles geregelt hatte und die Nacht vorbei war, öffnete sich die Tür zum Bösen einen weiteren kleinen Spalt. Und jemand trat hindurch.
Er konnte es nicht dulden. Sie war ihm angetraut. Sie hatte nicht eigenmächtig zu handeln. Natürlich musste auch das andere getan werden, die viel größere, die bedeutendere Tat. Aber wenn schon alles zum Teufel ging, dann sollte wenigstens vorher der Liebe Gerechtigkeit widerfahren. Der Liebe, die als Einziges alles am Leben hielt.
Steinmetz John hatte die Baustelle kurzerhand verlassen. Es musste warten. Er hielt es hier nicht aus – mit diesen bohrenden Gedanken in seinem Kopf. Er konnte keinen Schlag gegen eine Mauer tun, keinen feineren Meißel um eine der zahlreichen Dämonenfiguren in der Höhe der Templerkirche ziehen, wenn er nicht ein paar Dinge geklärt hatte.
Sie war fort. Er wollte nicht allein sein. Schon als Kind hatte er nicht allein sein können, und jetzt schon gar nicht. Ohne Jenny war alles sinnlos.
Wohin konnte sie geflüchtet sein? Natürlich zu diesem edlen Tempelherrn!
John Sandys wusste, dass Henri de Roslin seit Tagen in St. Albans weilte. Also wusste er auch, wohin seine Jenny geflohen war. Ihre Eltern waren früh gestorben, Geschwister hatte sie keine. Sie kannte ja sonst keinen Menschen in London. Er musste nach St. Albans!
John war froh, dass er noch zu starken Entschlüssen fähig war. Was John nicht wusste, war, dass er selbst seit einiger Zeit beobachtet wurde. Ihm folgte ein Schatten.
Der Steinmetz handelte unverzüglich. Mietete ein Pferd aus einem Stall in Southwark, einen räudigen Klepper, der aber billig war, und machte sich noch am gleichen Nachmittag auf den Weg. Weil er sich nicht umsah, sich nicht nach diesem verfluchten London mit seinen nicht abreißenden Problemen umsehen wollte, seine ungeliebte Wahlheimat einfach nur noch vergessen wollte, sah er nicht den Reiter, der ihm folgte.
John ritt so schnell, wie der Gaul es zuließ. Und das war nicht viel. Aber er erreichte St. Albans noch mit den letzten Strahlen der Abendsonne. Es genügte, um sich ein Bild zu machen. Da war also das Kloster, in dem der heimtückische Mord vor aller Augen geschehen war. Und darin befand sich seine Jenny, die dem Templer hinterherlief. Da war er sicher.
John Sandys wartete den Einbruch der Nacht ab. Er wusste durch seine Arbeit im Tempelbezirk, dass alle Klöster den gleichen Grundriss besaßen. Ihr heiliger Benedikt von Nursia hatte das so festgelegt. St. Gallener Klosterplan, oder wie sie das nannten.
John hatte schon in vielen Klöstern gearbeitet und versuchte, sich dieses Schema ins Gedächtnis zu rufen. Wo lag der Gästebau? Das Tor, der Eiskeller, die Orangerie, dahinter Waschhaus und Handwerkerbau, links der Küchenbau, rechts die alte Abtei und der Krankenbau. Bevor er zur Prälatur kam, neben der Sommerrefektorium und Kreuzgang der Kirche lagen, stieß er auf den Gästetrakt. Nur dort durfte eine Frau untergebracht werden. Er stellte sich das alles vor, sah es vor sich wie ein Fresko an einer der Wände, die er bearbeitete, also wusste er jetzt auch genau, wo das Gästehaus zu liegen hatte.
John Sandys überstieg die Mauer. Es war alles genau so, wie er gedacht hatte. Nur den großen Konventgarten hatte er vergessen. Den musste er erst einmal durchqueren. Wie verführerisch es hier nach Kräutern und Gewächsen roch! Diese Mönche schufen sich wirklich schon auf Erden ihr Paradies! Und Steinmetze mussten in dunklen, kalten Löchern hausen!
John hielt den Atem an. Alles blieb ruhig. Dass ein zweiter Eindringling in diesem Moment durch die Hauptpforte eingelassen worden war, an Remise und Mühlgarten vorbei zum Engelsgärtchen schritt und ihm direkt entgegenkam, bemerkte er nicht. John erreichte den Gästebau, der ebenso wie das ganze Kloster in völliger Dunkelheit dalag. Nein, das stimmte nicht ganz, John sah jetzt zur Rechten in der Prälatur den matten Schein von Kerzen. Dort war noch jemand wach.
Er ging trotzdem weiter. Erreichte das Gästehaus. Drückte die Klinke herunter. Die Tür öffnete sich. Sie knarrte in den Scharnieren. John musste sie ganz vorsichtig öffnen. Dann trat er ein.
Er spürte sofort, dass Jenny hier war. Er roch sie. Was für ein Geruch das war, hätte er nicht sagen können. Ein Geruch nach einer jungen, schönen, begehrenswerten Frau. Nach seiner Jenny! Er
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