Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman
du dich von Kenherchepeschef verabschiedet?«, sagte Rechmire, ohne zu zögern.
Zum ersten Mal schien ein echtes Lächeln Userhets Lippen zu umspielen. Seine goldenen Zähne glänzten im Licht der Silberlampen. »Je später das war, desto stärker ist der Verdacht, der auf mich fallen würde, nicht wahr?«, antwortete er mit einer Gegenfrage.
Rechmire sah aus den Augenwinkeln, wie Kaaper blass wurde und mit seiner zitternden Hand etwas Wein aus seiner Schale vergoss, der auf den kostbaren Boden perlte wie Blutstropfen. Doch er hatte beschlossen, lieber ehrlich als unterwürfig zu sein.
»Du hast Recht, Herr«, sagte er und bemühte sich dabei um eine möglichst feste Stimme. »Du bist der letzte Mensch, von dem ich sicher weiß, dass er Kenherchepeschef getroffen hat.«
Der Hohepriester nickte zufrieden. »Endlich sprichst du wie ein Mann zu mir. Jetzt weiß ich wenigstens, dass du wirklich Kenherchepeschefs Mörder fangen willst. Vorher glaubte ich, dass es dir wichtiger sei, ein falsches Wort zu vermeiden, als den Frevler zu finden, der die Götter lästerte, des Pharaos Haus der Ewigkeit entweihte – und der meinen eigenen Grabbau aufgehalten hat.« Er strich sich mit der Hand über seinen glänzenden, kahlen Schädel.
»Ich vermag die genaue Stunde nicht mehr zu nennen«, fuhr er fort und klang dabei sehr konzentriert. »Amun mag die zweite, vielleicht schon die dritte Pforte der Unterwelt passiert haben, als ich vor dem Tor von Set-Maat Kenherchepeschef aus meiner Gunst entließ. Dann ging ich mit Kaaper und einigen Sklaven, die uns mit Fackeln den Weg leuchteten, zur Spitze des Dehemet, wo wir der Meretseger huldigten, denn die Nacht ist die richtige Zeit, um der Herrin, die das Schweigen liebt, die nötige Ehre zu erweisen.«
Rechmire war überrascht, diese Neuigkeit von Userhet und nicht von Kaaper zu hören und blickte verstohlen zum Priester, der noch blasser geworden war als zuvor, sich jedoch demütig verneigte, als Userhet seinen Namen erwähnte.
»Wir mögen eine Stunde lang der Meretseger gedankt haben, dass sie unsere Häuser der Ewigkeit bewacht«, fuhr Userhet fort. »Es war auf jeden Fall sehr spät, als ich auch Kaaper entließ und mich meine Sklaven nach Theben zurücktrugen. Amun mag es wissen, vielleicht war Kenherchepeschef um diese Stunde schon tot.«
Rechmire erinnerte sich daran, wie er nach seiner letzten Liebesnacht mit Baketamun im Zierteich des Palastes untertauchen musste, um dem Hohepriester zu entkommen, der so überraschend zu dieser frühen Stunde zurückgekehrt war. Zumindest dieser Teil von Userhets Geschichte schien also zu stimmen.
»Herr, ich danke dir sehr für deine Gnade«, murmelte Rechmire und verbeugte sich tief.
»Ich glaube, dass meine Gebete zu Amun dir bei der Suche nach Kenherchepeschefs Mörder mehr helfen werden, als ich es mit meiner Erinnerung an jene fatale Nacht tun konnte«, sagte Userhet.
Rechmire wagte ein schwaches Grinsen. »Immerhin, Herr, beweist das, was du sagst, dass Kaaper nicht den Ersten Schreiber erdolcht haben kann. So kann ich wenigstens einen Mann aus Set-Maat von meiner Liste der Verdächtigen streichen.«
Um Userhets Lippen spielte ein leises, verächtliches Lächeln. »Ihr dürft euch jetzt zurückziehen«, gebot er.
Kaaper und Rechmire erhoben sich von ihren Hockern und wollten sich gerade, tief gebeugt und rückwärts schreitend, aus dem Raum entfernen, als ein älterer Priester durch eine versteckte Wandtür hereintrat. Er hatte den Arm voller Papyrusrollen.
»Verzeih mir, Türöffner des Himmels, diese Dokumente müssen unbedingt noch vor dem ersten Tag des Opet-Festes von dir unterzeichnet werden«, sagte er, nachdem er sich vor Userhet zu Boden geworfen hatte. Eine Schreibbinse und bereits fertig angerührte schwarze Tinte hatte er gleich mitgebracht.
Userhet sagte nichts, sondern schrieb mit routinierten Bewegungen einige Hieroglyphen auf jede Rolle.
Rechmire, der bei seinem demütigen Rückzug zufällig einen Blick auf die Papyri werfen konnte, wäre vor Schreck beinahe ohnmächtig geworden.
Jetzt wusste er, warum ihm die Handschrift mit dem seltsamen, verwischten Königsnamen, der auf der Rückseite eines jener von Kenherchepeschef beschriebenen Steinsplitter stand, vage bekannt vorgekommen war: Es war die des Hohepriesters Userhet.
Als sie die gold- und lapislazuligeschmückten Räume hinter sich gebracht hatten und wieder die kühle Nachtluft im Garten atmen konnten, holte Kaaper tief Luft.
»Amun war dir
Weitere Kostenlose Bücher