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Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman

Titel: Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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nicht mehr ganz nüchtern. »Sie zählen schon die Stunden bis zur Ankunft des Pharaos.«
    »Ich auch«, entgegnete Rechmire düster. Dann bat er den Arzt, sich Parahotep anzusehen.
    »Was ist mit unserem jungen Zeichner passiert?«, fragte der Arzt, als er sich mühsam von seiner Binsenmatte hochstemmte. »Ist er in einen Farbtopf gefallen?«
    »In den roten«, antwortete Rechmire und drehte sich um.
    »Wo willst du so eilig hin?«, rief ihm Nachtmin nach.
    »Zu Kaaper«, antwortete er im Gehen. »Ich muss mich mit ihm noch über ein Buch unterhalten.«
    Kaapers Haus war verschlossen und für einen Augenblick hatte Rechmire Angst, dass der Priester verschwunden war und in den heißen Felsen lauerte, bis der Pharao kam. Dann verwarf er diese Befürchtung genauso schnell wieder, wie sie gekommen war. Wie hätte ein Mann, dem die Götter das Augenlicht geraubt hatten, diesen Frevel begehen wollen? Er ging mit eiligen Schritten zum kleinen Tempel des Amun vor dem Nordtor – und dort fand er tatsächlich den Priester.
    Und er erblickte ein Bild, das sein Herz stocken ließ.
    Kaaper stand vor dem Altar im Innenhof. Er war aus gelbem Sandstein und hatte die Form eines Brotlaibes auf einer Binsenmatte – der Hieroglyphe für »Opfer«. Er war, wie es Brauch war, mit Palmzweigen bedeckt und der Priester hatte ein kleines Feuer entzündet. Doch Rechmire roch weder Weihrauch noch Myrrhe. Vom Altar stieg eine kleine, schmutzig-graue, nach alter, feucht gewordener Holzkohle riechende Rauchsäule hoch in den klaren Himmel, bis sie der Abendwind über den Felsengipfeln verwehte.
    »Der Geruch deines Opferfeuers wird bestimmt nicht Amuns Wohlgefallen erregen«, sagte Rechmire mit kalter Stimme. Er zwang sich zu äußerster Ruhe, denn er sah, dass er zu spät gekommen war: Auf dem Altar loderte eine dicke, alte Papyrusrolle. Und er konnte sich denken, welches Werk Kaaper gerade zu einem Häufchen hellgrauer Asche verbrannte, die im heißen Aufwind der Flamme davonstob.
    Der Priester drehte sich langsam um. Auf seinem Gesicht lag ein schmerzliches Lächeln. Seine Augen waren grau und trüb. Rechmire erkannte, dass Kaaper den letzten Rest seiner Sehkraft verloren hatte.
    »Amuns Wohlgefallen ruht schon lange nicht mehr auf mir«, antwortete der Priester. Seine raue Stimme klang müde und resigniert. »Auch wenn ich bis heute nicht weiß, warum er ausgerechnet mich noch zu Lebzeiten in eine finstere Welt schickt, während so viele andere, die weniger stark an ihn glauben, das Licht seines goldenen Wagens bis zum Ende ihrer Tage genießen dürfen. Ich gebe zu, dass es riecht, als würde ein Soldat seine alten Sandalen verbrennen, doch ich hoffe trotzdem, dass dieses mein letztes Opfer, das ich ihm je darbringen werde, Amun mit Freude erfüllt.«
    »Du hast ihm das Traumbuch des Chnumhotep geopfert«, murmelte Rechmire und trat vorsichtig näher.
    Kaaper nickte bedächtig. »Es war meine letzte Hoffnung«, entgegnete er leise.
    »Es hat Kenherchepeschef gehört«, erwiderte Rechmire.
    Der Priester lächelte dünn. »Hältst du mich für den Mörder des Ersten Schreibers?«, fragte er spöttisch.
    »Du könntest der Frevler sein«, gab Rechmire unumwunden zu. »Du wolltest das legendäre Traumbuch des Chnumhotep besitzen, das Kenherchepeschef irgendwo gefunden haben musste. Um jeden Preis. Amun hat dir sein Licht genommen, doch gerade das macht dich nachts zu einem gefährlichen Gegner, denn du bewegst dich in der Dunkelheit sicherer als wir Sehenden. Also wärest du sehr wohl in der Lage, selbst einen kräftigen Mann wie den Ersten Schreiber im nächtlichen Zwielicht des Grabes von Merenptah zu erdolchen. Zumal er nicht damit gerechnet hätte, dass ihn ein Mann angreifen würde, der fast blind ist.«
    »Und was ist mit Sennodjem?«, fragte der Priester und lachte freudlos. »Du musstest mir alle Einzelheiten der verfluchten Tat beschreiben. Wie hätte ich
sehen
können, was der Zweite Schreiber mit seinem eigenen Blut an die Wand schrieb? Wie hätte ich die entscheidende Hieroglyphe wegwischen können? Und welchen Grund sollte ich erst haben, den Pharao ins Reich des Westens zu schicken?«
    Rechmire schloss die Augen und flehte Thot in einem kurzen Gebet an, ihm die Erkenntnis zu schenken, die er so schmerzlich entbehrte. Sennodjems Ermordung und die Drohung gegen Merenptahs Leben passten weder zu Parahotep noch zu Kaaper. Und doch spürte er, dass diese beiden Frevel unlösbar mit dem Tod Kenherchepeschefs zusammenhingen – für den

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