Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman
bläulich anzuschwellen, und seine Stimme klang dumpf. »Ich muss Nachtmin sehen«, murmelte er.
»Der Sunu wird erst kommen, wenn ich mit dir fertig bin«, entgegnete Rechmire kalt. »Ich will zunächst die ganze Wahrheit hören über dich und Kenherchepeschef.«
Parahotep zuckte mit den Achseln und verzog sein Gesicht zu einer schmerzlichen Grimasse. »Da gibt es nicht viel zu erzählen. Er war der Erste Schreiber von Set-Maat, ich nur ein junger Zeichner. Was sollte ich also tun, als Kenherchepeschef sich« – er suchte nach dem richtigen Wort – »mir näherte?«, schloss er lahm.
»Du hättest nein sagen können«, meinte Rechmire und zog sich einen Schemel heran, um es sich bequemer zu machen. Er glaubte nicht mehr, dass vom Zeichner noch Gefahr für ihn ausging. »Und wenn du wirklich keine Wahl gehabt hättest, dann hättest du das Lager mit Kenherchepeschef teilen müssen. Aber niemand hat dich gezwungen, dem Ersten Zeichner Liebesgedichte zu widmen.«
»Er mochte so etwas gern«, murmelte Parahotep und ließ den Kopf hängen. »Also schön«, gestand er müde, »es gefiel mir auch. Es schmeichelte mir, dass mich der Erste Schreiber so vor allen anderen hervorhob. Er versprach mir sogar, dass er irgendwann den Ort der Wahrheit verlassen würde, um einen hohen Posten in Theben, Memphis oder Piramesse anzutreten. Dorthin wollte mich Kenherchepeschef mitnehmen, um mich zu einem der Maler machen zu lassen, die die großen Tempel verschönern. Stell dir das vor: Wände, so groß wie Felsen, Pylone, die bis in den Himmel reichen, und Tausende von Gläubigen, die täglich darauf blicken – was für eine Gelegenheit für einen Künstler! Ich hätte die Taten der Götter und des Pharaos so gemalt, wie niemand sie jemals zuvor gesehen hätte. Kenherchepeschef versprach mir eine Form von Unsterblichkeit, von der ein namenloser kleiner Schreiber wie du nicht einmal träumen kann«, setzte er trotzig hinzu.
Rechmire dachte an seinen eigenen Ehrgeiz, an alle seine erst vor wenigen Tagen gescheiterten Hoffnungen auf Ruhm zu seiner Zeit und in Ewigkeit. Und plötzlich erschien ihm Parahoteps Verhalten nicht mehr so absurd erniedrigend und unglaubhaft wie zuvor. »Warum hoffte der Erste Schreiber, dass er bald einen hohen Posten in einer der großen Städte des Landes bekommen würde? Eine so hohe Position, dass er dir sogar die großen Arbeiten für die Götter und den Pharao versprach?«
Parahotep schüttelte den Kopf und hielt sich dann mit schmerzverzerrter Grimasse die Nase. »Ich weiß es nicht«, antwortete er. Seine Stimme klang dumpf unter dem Leinentuch vor seinem Gesicht. »Vielleicht waren das auch alles leere Versprechungen, um mich zu blenden. Kenherchepeschef selbst schien aber tatsächlich daran zu glauben.«
Rechmire wechselte das Thema. »Kenherchepeschef hat dir nicht nur für deine Zukunft goldene Zeiten versprochen, er hat auch schon jetzt für dein Wohlbefinden in der Ewigkeit gesorgt«, sagte er. Er klang jetzt nicht mehr so erhitzt von Rachedurst und Triumph, sondern sachlich, beinahe mitfühlend.
Parahotep brachte ein schiefes Grinsen zustande. »Du hast Merenptahs kleines elfenbeinernes Schmuckkästchen in meinem Grab entdeckt«, murmelte er. »O ja, mir sind deine neugierigen Fragen in Merenptahs Haus der Ewigkeit und dein aufmerksamer Blick in meinem eigenen Grab nicht entgangen. Ich habe dir sogar schon eine Warnung geschickt, bevor du mich das erste Mal befragtest, doch du wolltest sie nicht hören. Deshalb habe ich dir nachts aufgelauert und dir die Skorpione an den Hals geworfen, damit du das nicht an den Tschati verrätst. Aber Meretseger war dir gnädig.«
Rechmire nickte grimmig. »Immerhin gestehst du diesen Anschlag«, entgegnete er und bemühte sich, den neu aufflammenden Zorn in seiner Stimme zu unterdrücken. »War der Schatz des Pharaos Kenherchepeschefs Bezahlung an dich?«
Der Zeichner funkelte ihn wütend an. »Ich bin keine Hafendirne aus Theben, die für ihre Dienste auf dem Lager bezahlt wird«, fauchte er. »Das Elfenbeinkästchen des Merenptah war ein Geschenk des Ersten Schreibers, das er mir machte, als wir schon lange …« er vollendete den Satz nicht, sondern starrte nur trotzig zu Boden.
»Du Dummkopf«, sagte Rechmire verächtlich. »Er hat dir einen Schatz des Pharaos gegeben, damit du dich in aller Ewigkeit an ihm erfreuen kannst. Und zugleich war dieses Geschenk wie der Widerhaken an der Angel, mit der du Nilbarsche fängst: Du wärest nie wieder von
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