Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman
Kopf hängen und setzte leise hinzu: »Vorausgesetzt natürlich, dass es mir gelingt, übermorgen des Pharaos Leben zu schützen. Wenn nicht …«
»… dann werden uns die Götter alle im Diesseits zu Staub treten und uns im Jenseits ewig brennende Fackeln statt Köpfe auf unsere Körper setzen«, vollendete Kaaper und erhob sich dabei ächzend. »Und als verdammte Fackel werde ich auch im Reiche des Osiris keine klaren Augen haben. Die Angst davor wird mich, mehr als alles andere, dazu antreiben, dir zu helfen, Rechmire. Wir werden den Frevler finden und unsere Seelen retten.«
16. BUCHROLLE
M ENTUHOTEPS D ROHUNG
Jahr 6 des Merenptah, Achet, 28. Tag des Paophi, Set-Maat
All die Anspannungen und Enttäuschungen der letzten Tage hatten an Rechmires Kraft gezehrt, sodass er trotz seiner Nervosität wie ein Toter geschlafen hatte. Hastig schlang er Wasser, Brot und getrocknete Datteln hinunter, dann trat er aus dem Haus. Er wollte Djehuti bitten, zusammen mit ihm den Prozessionsweg abzuschreiten, den der Pharao morgen vom Nilufer bis zu seinem Haus der Ewigkeit nehmen würde, um dort nach Stellen zu suchen, die sich für einen Hinterhalt eigneten. Doch als er das Quartier der Medjai gerade erreicht hatte, traf vom Weg, der zum Nil führte, ein Herold Mentuhoteps ein.
»Der Tschati und sein Gefolge werden in einer Stunde hier sein, um den Ort der Wahrheit zu inspizieren«, verkündete er. »Haltet gutes Essen bereit, räumt und säubert euer bestes Haus, falls er eine Stunde zu ruhen wünscht. Und spannt Sonnensegel über den Platz vor dem Tor, weil mein Herr dort Audienz hält.«
Während sich der Herold brüsk umdrehte und Set-Maat wieder verließ, brüllte Djehuti bereits seine ersten Befehle. Rechmire aber stand da wie betäubt. Er hatte erwartet, dass Mentuhotep den Pharao begleiten und erst morgen hier eintreffen würde. Aber natürlich hätte er sich denken können, dass der Tschati den Ort der Wahrheit rechtzeitig genug erreichen wollte, um sich selbst ein Bild über die bedrohliche Lage zu machen. Er würde einen ausführlichen Bericht erwarten – und Rechmire blieb plötzlich keine Zeit mehr, den Prozessionsweg noch an diesem Tag in Augenschein zu nehmen.
Er drehte sich um, ging den Weg zurück, den er gekommen war, und schloss sich in seinem Haus ein. Er hatte weniger als eine Stunde, um sich jedes einzelne Wort sorgfältig zu überlegen, das er an Mentuhotep richten würde. Irgendwie musste er dem Tschati sagen, dass er den Frevler immer noch nicht entdeckt hatte, ohne dass Mentuhoteps Zorn entflammte. Denn dann würde ihn der Tschati gleich zu den Krokodilen schleifen lassen.
Mentuhotep kam in einer mit gelbem Stoff verhangenen Sänfte. Ihm folgten seine Schreiber, Sklaven und zwanzig Soldaten aus der Leibwache des Pharaos. Rechmire, der sich zusammen mit allen anderen Dorfbewohnern vor dem Tor versammelt hatte und sich tief verneigte, überkam ein ungutes Gefühl beim Anblick dieser muskulösen, sonnenverbrannten Krieger, die Speer und Schild, Schwert und Dolch trugen.
Diener hatten aus Mentuhoteps Palast einen Sitz aus dunklem alten Zedernholz mitgebracht, auf dem die Tschati von Theben schon seit mehr als zwei Jahrhunderten thronten. Er wurde unter die Mitte des Sonnensegels gestellt, zu beiden Seiten platzierten sich dunkelhäutige Wedelträger mit großen Palmzweigen und Bündeln aus Straußenfedern, die sofort damit begannen, Luft zu fächeln, obwohl Mentuhotep noch in seiner verhüllten Sänfte verharrte.
Endlich trat der Herold vor und rief laut: »Der edle Mentuhotep, Sohn des Beknechon, der Oberste der Geheimnisse des Morgengemachs, der vertraute Ratgeber des Horussohnes, der Prophet der Maat!«
Ein großer nubischer Krieger war vor die Sänfte getreten und hatte seinen Rücken tief gebeugt. Die Stoffbahnen wurden von der goldberingten Hand Mentuhoteps zurückgeschlagen, dann setzte der Tschati seinen hennarot geschminkten Fuß auf den Nacken des Soldaten und trat von dort auf den Boden, den Sklaven zuvor mit Wasser besprengt hatten, damit nicht die kleinste Staubwolke den Atem des mächtigen Mannes stören konnte. Mentuhotep trug seine Amtstracht, das bis unter die Achseln reichende Gewand aus feinstem, gestärkten Leinen, das bei jedem seiner Schritte leise raschelte. Über dem Herzen baumelte wie immer an einer goldenen Kette die Statuette der mit der Straußenfeder bekrönten Göttin Maat. Seine Augen waren dick mit Kohle umrandet und die Haarsträhnen seiner kurzen Perücke hatte
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