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Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman

Titel: Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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und peinlich sauberen Häusern hindurchzwängten. Außerhalb des Dorfes, das die Form eines lang gestreckten Rechtecks hatte und deshalb eher wie eine Oasensiedlung oder Militärfestung wirkte, drängten sich mindestens vierzig weitere Häuser, die offensichtlich später als die anderen errichtet worden waren, ohne irgendeine Ordnung außen an die Mauer. Vor dem Tor lag eine große, in den Felsen geschlagene und ausgemauerte Zisterne. Drei bescheidene Tempel und eine kleine Festung der Medjai flankierten den Zuweg zum Dorf. Der verhältnismäßig sanft ansteigende Felsenhang östlich der Siedlung war ein einziges Gräberfeld: Hunderte von winzigen Totentempeln, heiligen Innenhöfen und kaum mannshohen Pyramiden aus hell verputzten Lehmziegeln bedeckten die Flanke.
    Mentuhotep ließ sich den Weg hinuntertragen. Vor dem Tor hatten sich einige Männer versammelt, die beim Anblick des Tschati die Knie beugten und die offenen Hände ausstreckten.
    Ein kleiner, dicklicher Mann trat vor, dessen schweißglänzender, nur von einem dünnen Haarkranz bekrönter Kopf sich dunkelrot gefärbt hatte vor Aufregung.
    »Gegrüßt seiest du, o Prophet der Maat und unser Herr!«, rief er mit hoher Stimme, wobei er zwei Reihen schadhafter Zähne zeigte. Seine Augen waren rötlich entzündet.
    Der Tschati blickte von der Höhe seiner Sänfte mit deutlichem Missvergnügen auf den Mann hinab, der ihn begrüßt hatte.
    »Wer bist du?«, knurrte er.
    »Ich bin Sennodjem, Sohn des Amenemhet«, antwortete der Dicke unterwürfig. »Ich bin der Zweite Schreiber am Ort der Wahrheit.« Das klang schon eine Spur weniger unterwürfig, denn er schien sehr stolz darauf zu sein.
    »Wo ist der Erste Schreiber?«, herrschte ihn Mentuhotep an.
    »Wo ist Kenherchepeschef? Er soll mich zum Haus der Ewigkeit führen, das ihr für den Pharao errichtet!«
    Sennodjem sah sich mit seinen entzündeten Augen Hilfe suchend nach hinten um, doch die anderen Männer der Abordnung beugten sich noch tiefer zu Boden. Niemand wagte es, den Tschati auch nur anzusehen.
    »Was ist passiert?«, fragte Mentuhotep. Er war plötzlich ruhig geworden und seine Stimme klang jetzt eher wie die eines zwar strengen, aber beruhigend gerechten Vaters.
    Sennodjem holte tief Luft, brachte dann aber doch nur einen geflüsterten Satz heraus, den niemand verstehen konnte. Als er sah, dass ihn alle anderen immer noch fragend anblickten, fasste er sich endlich ein Herz und wiederholte lauter: »Kenherchepeschef ist in den Westen gegangen. Sein Ka hat ihn letzte Nacht verlassen.«
    Dann warf sich Sennodjem plötzlich zu Boden und drückte seine Stirn in den Staub. »Der Erste Schreiber wurde im fast vollendeten Grab des Pharaos erdolcht«, presste er mit angsterfüllter Stimme hervor.

5. BUCH ROLLE

D ER O RT DER W AHRHEIT
    Jahr 6 des Merenptah, Achet, 6. Tag des Paophi, Set-Maat
    Mentuhotep schwieg lange und starrte mit ausdruckslosem Gesicht auf Sennodjem hinunter.
    »Weißt du, wer das getan hat?«, fragte er schließlich mit ruhiger Stimme.
    Sennodjem schüttelte den Kopf. »Nur die Götter haben diesen Frevel gesehen. Anubis wird das Herz des Täters der Großen Verschlingerin vorwerfen, auf dass er ewig …«
    »Genug!«, herrschte ihn der Tschati an. »Jeder weiß, dass es ein Frevel gegen die Götter ist und ein Frevel gegen den Pharao. Entweiht der Körper des Toten noch immer das Haus der Ewigkeit?«
    Der Zweite Schreiber wagte es zum ersten Mal, den Tschati direkt anzublicken. »Nein«, antwortete er mit einem Anflug von Stolz. »Ich habe ihn aus den Gemächern des Pharaos fortschaffen lassen, sobald wir ihn entdeckt hatten. Wir haben Kenherchepeschef im kleinen Tempel des Amun hier vor unserem Dorf aufgebahrt, bis die Diener der Balsamierer kommen, um ihn nach Theben zu bringen, wo sie seinen Körper für die Ewigkeit herrichten werden.«
    »Gut«, sagte Mentuhotep und nickte kurz. »Aber dieser Frevel ist ein böses Vorzeichen. Die Götter sind uns nicht wohlgesinnt.«
    Der Tschati sah sich unter den Männern um, die ihn empfangen hatten, und erblickte einen kahl geschorenen Priester.
    »Tritt hervor!«, rief er. »Ich habe dich schon einmal irgendwo gesehen.«
    Der Angesprochene war mindestens vierzig Jahre alt, klein und hager und mit einem auffallenden Gesicht: Seine Nase war ungewöhnlich lang, der Mund extrem dünnlippig und seine Augen waren so trüb, als läge graues Glas hinter seinen Pupillen. Er trat mit den unsicheren Schritten eines Mannes vor, der kaum noch etwas sehen

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