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Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman

Titel: Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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belegt?
    Rechmire war erleichtert, als sie endlich die viele hundert Ellen messende Längsseite des Totentempels des Amenophis des Dritten passiert hatten. Zu ihrer Linken lagen die kleinen Heiligtümer von Thutmosis dem Ersten und Thutmosis dem Zweiten, dahinter der große Totenpalast Haremhabs. Haremhab war der Herrscher, der Den-dessen-Namen-niemand-nennt aus der Geschichte der Beiden Reiche tilgen ließ, als hätte es ihn nie gegeben – offensichtlich, wie das Beispiel des unglücklichen Bauern zeigte, war ihm das nicht vollständig gelungen.
    Rechts von ihnen erhoben sich die Tempel mehrerer Pharaonen, unter denen das wuchtige, wie ein Berg aufragende Heiligtum des Ramses alle anderen weit überragte. Nichts übertraf an Pracht jedoch die Rampen und Säulenhöfe, die sich die Pharaonin Hatschepsut einst direkt in eine über hundertmal mannshohe Felsenwand hatte hineinschlagen lassen.
    Genau vor ihnen lag der Tempel des Merenptah, der in der Form den Totenpalast seines Vaters Ramses kopierte, aber deutlich kleiner war – Merenptah war über sechzig Jahre alt gewesen, als er vor sechs Jahren endlich den Thron besteigen konnte. Er wusste, dass er nicht viel Zeit hatte, um für die Ewigkeit zu bauen, also war er bescheidener als sein Vater.
    Vor dem ersten Pylon thronte der Pharao als zehnfach mannshohe Gestalt aus fein poliertem weißen Kalkstein. Seine Augen schienen irgendwie zugleich zum fernen östlichen Horizont und auf die winzigen Menschen auf dem Weg zu seinen Füßen zu blicken. Der Tempel des Merenptah war fast vollendet. Auf dem Weg zu diesem hatten sie nur einen Schlitten überholt, auf dem ein großer Kalksteinblock lag, den zwanzig Sklaven langsam zum Tempel zogen. Arbeiter balancierten vor der Außenwand auf leichten Gerüsten aus Holz und Flechtwerk, um im obersten Bereich die letzten Reliefs und Hieroglyphen auszumalen. Zwei Priester standen am Boden und überwachten das Werk. Als sie den Tschati erblickten, streckten sie die Hände vor und verbeugten sich, bis Mentuhoteps Zug das Heiligtum passiert hatte.
    Jetzt stieg der Weg steil an, als er sich in die Berge schlängelte. Er war gerade breit genug für die Sänfte. Als sie wieder einen tief gebeugten Wasserträger passierten, musste dieser seine Last vorsichtig abstellen und sich in eine Felsennische drücken, um sie vorbeizulassen. Die Klippen leuchteten gelb und weiß in der Mittagssonne und strahlten so viel Hitze ab, als hätten sie stundenlang in einem riesigen Herdfeuer gelegen. Mentuhotep und seine Begleiter folgten einigen Windungen und hatten bald den Blick auf Theben und das Niltal verloren. Zu allen Seiten ragten Felsen und Geröllhalden auf, die so viel Licht reflektierten, dass die Augen schmerzten. Die Luft schmeckte nach Steinstaub und machte sie durstig. Die einzigen Geräusche kamen von ihren stolpernden Schritten auf dem ansteigenden Pfad und vom leisen Sirren des Gefieders eines Geiers, der in langsamen Bahnen hoch über ihren Köpfen kreiste. Kein Busch, kein Strauch, kein Grashalm wuchs hier, kein Schatten linderte auch nur für einen Moment die sengende Glut.
    Die nubischen Sänftenträger waren stark und an große Belastungen gewohnt. Sie bewegten sich sicher wie Katzen über den gewundenen Pfad und hielten dabei die Sänfte so gerade, dass ihr Herr nicht in die nach Weihrauch duftenden Kissen gedrückt wurde. Bald hatten sie und die auf den gleichmütigen Eseln reitenden älteren Schreiber einen deutlichen Vorsprung vor Rechmire und seinen Kameraden, die zusammen mit den Sklaven mühsam hinterhertrotteten. Sie passierten einen schmalen, natürlichen Felsendurchbruch, der Weg war für ein paar Schritte eben und fiel dann steil ab. Erstaunt hielt Rechmire inne: Vor ihm, eingebettet in einen Talkessel inmitten der steinernen Einöde, lag eine kleine Stadt.
    Er blickte auf ein Gewirr aus rund siebzig aneinander gedrängten, einstöckigen kleinen Häusern, die von einer dreifach mannshohen Mauer aus Lehmziegeln eingeschlossen waren. Ein schweres Holztor mit massiven bronzenen Beschlägen durchbrach die Nordwand und war der einzige Zugang zur Siedlung. Der schmale Weg, den sie genommen hatten, führte genau darauf zu. Eine gerade Hauptstraße, sofern man einen sauberen, aber ungepflasterten Pfad, auf dem kaum zwei Eselskarren nebeneinander Platz fanden, so bezeichnen konnte, führte längs durch das Dorf. Von ihr zweigten zu beiden Seiten viele gewundene, kaum schulterbreite Gassen ab, die sich zwischen den weiß verputzten

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