Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman
getan?«, wollte er wissen.
Die beiden Medjai sahen sich betreten an und rieben sich verlegen die Hände.
»Ich höre nichts!«, herrschte sie der Tschati an. »Gebt mir Antwort oder ihr steht ebenfalls gleich an diesem Pflock!«
»Wir haben ein Zeichen gefunden von Dem-dessen-Namen-niemand-nennt«, antwortete einer der beiden verängstigt, während der andere zu einem Bündel eilte, das am Wegesrand lag. Dann kam er mit einer unterarmlangen Kalksteinplatte wieder und reichte sie hoch zur Sänfte.
Rechmire reckte den Hals, doch er konnte nicht viel erkennen: Ein Mann, der offensichtlich betete, war auf der Vorderseite eingemeißelt, darüber eine Sonnenscheibe. Doch die Hieroglyphen waren zu klein und unbeholfen eingeritzt, als dass er sie entziffern konnte.
Mentuhotep besah sich die Platte einen Augenblick und las den Text mit hochgezogenen Brauen, dann schleuderte er sie auf die Erde, als hätte er plötzlich entdeckt, dass er einen Skorpion in Händen hielt.
»Werft diese Stele in den Nil!«, befahl er mit zorniger Stimme. »Und den Bauern prügelt so lange, bis ihn sein Ka und Ba verlassen. Dann verscharrt seine Leiche in der Wüste!«
Er warf den Medjai je einen kleinen goldenen Ring als Belohnung zu, dann gab er das Zeichen zum Weitermarsch. Sie konnten den Bauern hinter ihnen noch einige Zeit schreien hören, bis ihm einer der beiden Medjai einen schweren Schlag auf den Kopf versetzte.
Rechmire wagte nicht, sich umzudrehen. Und während sie weiter voranschritten, fragte er sich vergeblich, warum Mentuhotep den Bauern zum Tode verurteilt hatte.
Sie konnten inzwischen deutlich den pyramidenförmigen Berg Dehemet sehen, wo Meretseger wohnte und den Ort der Wahrheit bewachte. Mentuhotep ließ kurz anhalten und einen Sklaven kommen, der ihm einen Krug Wein bringen musste. Der Tschati öffnete ihn und spritzte einige Tropfen auf den staubigen Weg.
Dabei murmelte er: »Gepriesen sei Meretseger auf dem Gipfel des Westens, wir küssen den Boden vor ihrem Ka. Denn Meretseger ist dem gnädig, der zu ihr fleht!«
Die Männer im Gefolge des Tschati hatten sich tief verbeugt und die Gebetsformel murmelnd wiederholt, bevor sie den Weg fortsetzten. Sie hatten den Rand der Felder erreicht. Vor ihnen ragten die Tempel der göttergleichen Pharaonen auf, dahinter erhoben sich die schroffen Felswände des westlichen Gebirges, in denen irgendwo Set-Maat versteckt lag.
Sie passierten zunächst den riesigen, von drei fahnengeschmückten Toren beherrschten Tempel des Amenophis des Dritten. Vor dem Heiligtum thronten zwei Abbildungen des sitzenden Gottkönigs, beide je elfmal mannshoch und aus einem einzigen rötlichen Quarzitblock geschlagen. Rechmire wagte nicht, die Kolosse offen anzustarren, weil das der Gott wahrscheinlich als respektlos empfunden hätte, deshalb blickte er nur verstohlen hinüber, während sie den Tempel passierten. Nach einem schweren Erdbeben vor einigen Jahren klaffte in der rechten Statue ein langer Riss. Seitdem, so flüsterten die Steinträger und Bauern, wenn sie in den Tavernen Bier getrunken hatten, sang der Koloss jeden Morgen beim Aufgang der Sonnenscheibe Amuns eine Hymne, die keine menschliche Stimme je nachahmen könnte.
Rechmire wusste nicht, was er davon halten sollte. Das Heiligtum war schon mehrere Menschenleben alt. An einigen Stellen war die Farbe aus den eingemeißelten Reliefs der Tempelwände verblasst, der Stoff der Fahnen war zerschlissen, Grasbüschel wuchsen auf der Krone der Umfassungsmauer. Wenn der Nil besonders hoch stand, drang sein Wasser bis zum Tempel, sodass die Wände bis in Hüfthöhe hässliche braune und weiße Verfärbungen zeigten. Würde ein Gott, der so mächtig ist, dass sogar seine steinernen Kolosse singen, einen derartigen Verfall seines Hauses zulassen? Andererseits: Warum sollten so viele Menschen in Theben die gleiche Lügengeschichte erzählen? Vielleicht also sang die Riesenstatue wirklich, wenn sie jeden Morgen den Sonnenwagen des göttlichen Vaters am östlichen Horizont erblickte. Vielleicht war es aber auch ein zorniger Hilfeschrei, um den Menschen im Lande Kemet zu befehlen, den Verfall des Tempels zu stoppen.
Rechmire hatte einen Brief verfassen müssen, aus dem klar wurde, dass Mentuhotep, um die Arbeiten für seinen Herrscher zu beschleunigen, heimlich Kalksteinblöcke aus dem Heiligtum des Amenophis des Dritten hatte brechen lassen, um sie in das Grab des Merenptah einzubauen. Vielleicht hatte sie der alte Pharao mit einem Fluch
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