Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman

Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman

Titel: Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
Vom Netzwerk:
seine innere Bewegtheit ausdrückte. Otto beschloss, die beidhändige Begrüßung als Zeichen der überschwänglichen Freude in sein Buch aufzunehmen. Natürlich würde er hinsichtlich der Initiative, Intensität und Dauer einige Differenzierungen vornehmen müssen. Und natürlich musste er der Frage nachgehen, ob ein Mann, der sich so freuen konnte, auch im selben Maße zornig werden konnte.
    »Wir sind zwei Wochen lang zusammen durch Deutsch-Südwestafrika gereist«, sagte Otto an den Commissarius gerichtet. »Daniele veranstaltete damals Großwildjagden. Es war sehr schön, mitten in der Wildnis einen Berliner zu treffen. Wenn ich mich recht erinnere, Daniele, warst du damals auf dem Weg nach Port Nolloth. Von dort wolltest du weiter nach Kapstadt, wo du dich für irgendein Südamerikaprojekt einschiffen wolltest. In Bolivien, Paraguay oder Brasilien?«
    »Ja, ja, das stimmt«, erwiderte Daniele. »Du hast dich gar nicht verändert, alter Junge. Nur am Bauch bist du etwas runder geworden. Haha.«
    »Hauptsache ist jedenfalls, dass du wieder wohlbehalten heimgekommen bist. Was machst du hier bei der Gewerbeausstellung?«
    »Ich war letztes Jahr in Afrika und habe die Eingeborenen für die Ausstellung angeworben. Hier bin ich als ihr Dolmetscher und Vermittler tätig, was angesichts ihrer Forderungen nicht immer ganz einfach ist.«
    »Der Commissarius möchte«, sagte Otto, »dass ich die Hereros befrage. Was kannst du mir über sie erzählen?«
    »Das hat mir Herr Funke auch schon erklärt. Nach der Vorstellung begeben sie sich direkt in die Eingeborenenhütte, wo sie auf dich warten. Hm, lass mich mal überlegen. Es sind insgesamt fünf an der Zahl. Ferdinand Semôndscha ist dreiundzwanzig und stammt aus Okahandya. Er ist Jäger. Josaphat Kamatóto dürfte um die vierunddreißig Jahre alt sein und kommt aus Otyiseva. Er ist Lehrer. Seine Frau Martha Kamatóto ist um die dreißig und ist ebenfalls aus Otyiseva. Sie ist schon seit dreizehn Jahren mit Josaphat verheiratet und Mutter von fünf Jungen.«
    »Sind das alle?«
    »Da wäre noch Titus Huáraka«, erwiderte Daniele. »Er ist um die vierunddreißig und Großgrundbesitzer und Evangelist. Und Wilhelm Maharero kennst du ja.«
    »Kannst du dir vorstellen, wer ihm einen Mord in die Schuhe schieben könnte? Gab es Ärger?«
    »Wilhelm Maharero wirft mir vor, dass ich Versprechen nicht halten würde. Er hat die anderen Hereros so gegen mich aufgebracht, dass sie beinahe gestreikt hätten, aber ich habe schon beim Vorstand durchgesetzt, dass sie die albernen Kostüme mit den Straußeneierschalen nicht mehr tragen müssen. Wenn alles gut geht, bekommen sie im Herbst eine Audienz beim Kaiser. Ich verstehe wirklich nicht, warum er sich ständig so aufregt.«
    »Und sonst?«
    »Ich weiß niemanden.«
    Otto bedauerte, dass ihre Begegnung schon wieder vorbei sein sollte, und hatte eine Idee. »Am Sonntag nehme ich an einer Regatta teil und möchte gerne im Anschluss eine kleine Siegesfeier veranstalten. Ich würde mich sehr freuen, wenn du auch kommen könntest. Ich bin schon gespannt darauf, was du in den letzten Jahren so getrieben hast.«
    »Du nimmst an einer Regatta teil und weißt jetzt schon, dass du siegen wirst?«
    »Zumindest moralisch.«
    »Prächtig, alter Junge. Du hast dich kein Stück geändert. Ich komme gerne. Seitdem ich wieder in Berlin bin, habe ich oft an dich denken müssen. Es ist schön, dass wir uns endlich getroffen haben.«
    Nachdem sie einige Einzelheiten besprochen und sich herzlich verabschiedet hatten, fiel Otto auf, dass Moses verschwunden war. Hatten sie ihn in der Menschenmenge verloren, oder war er weggelaufen? Wahrscheinlich war er empört gewesen, dass die Hereros wie Tiere im Zoo gehalten wurden. Und sicher waren die Eindrücke der vergangenen Tage schwer zu verkraften gewesen, aber musste er deshalb einfach verschwinden?
    Nachdem Otto mit dem Commissarius einige Absprachen getroffen hatte, begab er sich zu der Eingeborenenhütte, die wie ein großer Bienenkorb aussah. Lange Äste waren in einem Kreis in den Boden gerammt, aneinandergebunden und zurechtgebogen worden. Die Zwischenräume hatte man mit Ochsenmist geschlossen, darüber waren mehrere Lehmschichten aufgetragen worden. Otto schob ein Fell zur Seite und trat in die Hütte, in der man aufrecht stehen konnte. Drinnen herrschte ein angenehmes Klima.
    Wilhelm Maharero stand sofort auf und begrüßte ihn respektvoll. Der Hereroprinz bedankte sich dafür, dass er so diskret

Weitere Kostenlose Bücher