Mord in Der Noris
weißblond gefärbten Frau –
enge Jeans, weiße Ballerinas, ein über und über mit Strass besetzter breiter
Gürtel, weißes nabelfreies Top – aufgerissen wurde, die sie anherrschte: »Was
fällt Ihnen ein, hier so einen Terror zu veranstalten! Können Sie nicht warten,
bis man Ihnen aufmacht! Oder glauben Sie, bloß weil Sie von der Polizei sind,
können Sie sich …« Das musste die ältere der beiden Töchter sein, Jeannette
Weber.
Da erst nahm Paula ihre Hand vom Klingelknopf und
flötete mit honigsüßer Stimme: »Guten Tag, Frau Weber. Das hier ist
Oberkommissar Bartels, und mein Name ist Steiner. Wir hatten einen Termin mit
Ihnen für siebzehn Uhr vereinbart. Und jetzt haben wir Punkt siebzehn Uhr. Oder
täusche ich mich da? Dann dürfen wir ja hereinkommen.«
Sie trat noch immer lächelnd in die kleine Diele,
blickte kurz nach links, wo eine Garderobe stand, und schritt dann forsch nach
rechts in den offenen quadratischen Wohnraum. Auch dieses Zimmer war für ihren
Geschmack viel zu vollgestellt, was vor allem an der dunkelbraunen Schrankwand – Nussbaum antik, aber keine Antiquität – und dem wuchtigen Sitzensemble,
bestehend aus einem schwarzen Ledersofa und zwei ebensolchen Ledersesseln, lag.
Die Fenstersimse hinter den floral gemusterten Kunststoff-Stores waren über und
über beladen mit den derzeit so angesagten Orchideen in allen denkbaren
Bonbonfarben in farblich abgestimmten Keramik-Übertöpfen. Zwischen den kleinen
einfachen Kunststofffenstern und der Couchgarnitur standen eine zierliche, fast
hübsche Blondine, auch sie in engen Röhrenjeans, auch sie mit gefärbtem
hüftlangem Haar, und ein großer gebeugter Mann Arm in Arm. Paula wiederholte
ihren Gruß.
Als sie unaufgefordert auf einem der beiden Sessel
Platz nahm, knarzte das dicke Leder unter ihrem Hintern wie unter einer
schweren Last. Mit einer kleinen Genugtuung hörte sie dieses quietschende
Ächzen auch, als Heinrich sich setzte. Die drei Gastgeber blieben ostentativ
stehen. Sie warf Heinrich einen langen Blick zu, der von ihm mit einem kurzen
verständigen Nicken aufgefangen wurde.
»Möchten Sie nicht auch Platz nehmen? Wir können uns
doch dann viel entspannter unterhalten«, sagte er.
Noch zeigte sich das Trio unentschlossen. Sollten sie
dieser Frage, bei der man nicht wusste, ob es nun eine freundliche Bitte war
oder eine unverschämte Aufforderung, nachkommen? Nach einer langen Weile riss
sich die jüngere der beiden Weber-Töchter von ihrem Vater los und nahm auf der
Armlehne des breiten Sofas Platz. Schließlich tat es ihr Frank Weber gleich und
setzte sich rechts neben sie, steif und lauernd. Jeannette Weber dagegen, deren
Strassgürtel selbst in dem gedämpften Licht dieses dunklen Zimmers bizarr
blinkte und glitzerte, blieb mit vor dem Körper verschränkten Armen stehen.
Paula sah sie prüfend an, dann wanderte ihr Blick
zurück zu der Zweierbesatzung des Sofas. Und sie sah in den hängenden
Mundwinkeln und hängenden Augenlidern, in all den auf den Kopf gestellten Us,
die gleiche Muffigkeit und Ablehnung. Aber auch die Anstrengung, die eine
solche geballte wie übereinstimmende Demonstration der schlechten Laune
kostete.
»Ihre Schwiegermutter beziehungsweise Großmutter hat
Sie ja bereits über den Mord an Frau Platzer informiert«, eröffnete Heinrich
seine Unterhaltung und legte Stift und Notizblock griffbereit auf den
Couchtisch.
»Wann haben Sie Elvira Platzer denn zum letzten Mal
gesehen oder mit ihr gesprochen?«
Keine Antwort. Sämtliche Mundwinkel blieben in ihrer
nach unten gezogenen Position. Heinrich wiederholte seine Frage. Schließlich
antwortete Weber leise, ohne seinen Blick von der Schrankwand zu nehmen. »Wir
hatten schon seit Jahren keinen Kontakt mehr zu ihr.«
»Seit wie vielen Jahren? Und trifft das auf jeden von
Ihnen zu?«
»Seit 2004.«
Heinrich sah zu den Töchtern, die diese Angabe mit
einem kaum wahrnehmbaren Kopfnicken bestätigten.
»Können Sie uns dennoch etwas sagen, was das Leben des
Opfers anbelangt?«
»Nein.«
»Oder wissen Sie von Feinden beziehungsweise Personen,
die Ihrer Schwägerin und Tante nicht wohlgesonnen waren?«
»Nein.«
»Dann hätte ich von Ihnen gern zumindest eine kurze
Beschreibung, wie Frau Platzer war, damals, als Sie noch Kontakt hatten. Wie
lebte sie, wie verbrachte sie ihre Freizeit, wie hat sie sich Ihnen gegenüber
verhalten?«
»Das wissen wir nicht. Wir haben sie auch davor nur
selten gesehen.«
»Nun, dann schildern Sie eben bitte
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