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Mord in Der Noris

Mord in Der Noris

Titel: Mord in Der Noris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Kirsch
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ungewöhnlich kurze Antwort.
    Als sie das Handy zusammenklappte, war sich Paula
sicher, dass die Anwärterin den Sonntag nicht freinehmen, sondern in Erlangen
verbringen würde. Auf der Suche nach einem Mann mit einem Brillanten im linken
Ohr.
    Sie ging in die Küche. Schälte Kartoffeln, setzte den
tiefgekühlten Spinat auf den Herd und schlug sich drei Bio-Eier in die Pfanne.
Eine halbe Flasche Grauburgunder, Schokokekse und Vanilleeis krönten dieses,
wie sie fand, überaus gesunde Mahl. Gesättigt kehrte sie zu ihrem
Interimsarbeitsplatz zurück.
    Vor sieben Stunden hatte sie fest vorgehabt, sich
heute noch den Ordner und die Kalender vorzunehmen. Gründlich und erschöpfend.
Es blieb bei diesem guten Vorsatz. Jetzt war sie nämlich der Meinung, sich nach
ihrer erfolgreichen Stöberaktion in der Eichendorffstraße eine kleine Auszeit
verdient zu haben. So verbrachte sie den Abend in weitaus angenehmerer
Gesellschaft als mit den Aufzeichnungen und Unterlagen ihres Opfers – nämlich
mit der restlichen Flasche des Grauburgunders, der schon bald seine schwere
Hand sanft auf ihre Schultern legte.
    Am Sonntagvormittag aber gab es kein Zurück mehr.
Nach einem hastig eingenommenen Frühstück setzte sie sich an den leer geräumten
Tisch in der Küche und schlug den Ordner auf. Nachdem sie ihn zwar
gewissenhaft, aber lustlos durchgeblättert hatte, war sie in keinem Punkt
schlauer als zuvor. Die Papiere bestätigten lediglich das, was sie schon
wusste: Die Tote verfügte tatsächlich über dieses ansehnliche Vermögen von gut
dreihunderttausend Euro, und ihr gehörte die Eigentumswohnung, die ihr der
Vater schon zu Lebzeiten überschrieben hatte. Und auch das war Paula bereits
vor dem Aktenstudium bekannt gewesen: Pünktlich jedes Jahr hatte sich Herr
Holzbauer über seine Nachbarin beschwert, das belegten die Protokolle der Eigentümerversammlungen.
    Diese Pflichtübung hatte sie nun hinter sich. Sie
verstaute den Ordner in der Plastiktüte, holte sich die Kalenderkladden aus dem
Wohnzimmer und belohnte sich für ihre bisherige Mühe mit einer extragroßen
Portion Vanilleeis. Als sie den Blick dabei gelegentlich zur Burg schweifen
ließ, fiel ihr auf, dass sie ihr Stalker auch heute, wie schon gestern, in
Frieden gelassen hatte. Sie wertete das als gutes Zeichen für ihr seelisches
Gleichgewicht. Oder war sie mittlerweile dermaßen abgestumpft und gleichgültig
gegenüber dieser fürchterlichen Zahl geworden, dass ihr der Geburtstag nichts
mehr anhaben konnte? Egal, nun zur Kür.
    Sie schaute zunächst den ältesten Kalender, den mit
dem Aufdruck 2003, durch. Die Seiten waren gespickt mit den immer gleichen
Angaben. Elvira Platzer hatte ihren Kalender wie eine Buchhalterin geführt und
jeden Tag mit Bleistift vermerkt, wann sie aufgestanden und wann sie
eingeschlafen war, wann sie zur Arbeit gegangen und wann sie wieder heimgekehrt
war, dass sie dann »Kaffee getrunken + Gebäck« zu sich genommen hatte, was
und bei wem sie eingekauft und vor allem wie viel Geld sie dafür ausgegeben
hatte. Auch wenn sie an einem Tag keine Besorgungen festzuhalten hatte, eine
Schachtel Zigaretten war zuverlässig immer dabei. Der Vermerk »3,20/Zig.«
tauchte genauso regelmäßig auf jeder Seite auf wie der Dauerposten »Gebäck«,
der ein Croissant, ein Apfelstrudel oder nur ein »Knoppers« sein konnte. Paula
wunderte sich noch, wie billig die Zigaretten damals gewesen waren. Hatte sie
selbst nicht großspurig verkündet, dass sie augenblicklich das Rauchen
einstellen würde, wenn der Preis für eine Schachtel über die Drei-Euro-Marke
steigen würde?
    Schließlich gab es noch einen Dauerbrenner im
niedergeschriebenen Leben der Toten, das war das Legen von »1 x Patience«.
Gekocht dagegen wurde bei ihr selten, und wenn, dann kamen vorzugsweise
»Fischstäbchen« auf den Tisch. Mal mit »Kart.«, mal mit »Schinkenwürfeln« und
einmal sogar mit »Erdbeeren/Dose«. Der 23. März hielt fest: »Rest von den
Fischstäbchen + Joghurt«. Abenteuerliche Kombinationen, aber für die
abenteuerliche Köchin Steiner nicht weiter auffällig. Im Gegenteil, sie, die
derzeit doch auch Fischstäbchen und Joghurt in ihrer Vorratshaltung hatte,
griff die letzte Kombination bereitwillig als Menüvorschlag für das heutige
Abendessen auf.
    Sie klappte den Kalender zu und griff nach dem
nächsten. Auch 2004 gaben das Aufstehen und das Heimkommen, die Arbeit und der
Schlaf, der »Kaffee + Gebäck« und die Patiencen den Takt vor, nach dem

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