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Mord in h-moll

Mord in h-moll

Titel: Mord in h-moll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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nämlich so, Herr Doktor: als ich ahnungslos in mein Zimmer zurückkam, die offene Balkontüre sah und mir sofort denken konnte, daß Weynert hinausgestürzt war, da sah ich neben der Tür diese Pistole auf dem Boden liegen. Um allen lästigen Fragen zu entgehen, ließ ich sie vorerst in meinem Koffer verschwinden, und später versteckte ich sie im Heizkeller hinter Kisten. Leider habe ich sie dann bei meiner Abreise vergessen.«
    Er schaute mich lange und prüfend an. Endlich sagte er:
    »Wenn Ihr Gewissen rein war, hätte diese Pistole in Ihrem Zimmer keine Rolle gespielt. Weynert ist ja nicht erschossen worden. Und außerdem hätten sich vermutlich nur seine eigenen Fingerabdrücke daran gefunden. Der Richter wird Sie todsicher fragen, weshalb sie beim Anblick dieser Pistole plötzlich Angst bekommen haben.«
    »Es war aber so.«
    »Kann sein. Ich glaube Ihnen ja. Aber Sie können sich darauf verlassen, daß die Geschworenen ganz anders denken. Weil Sie nämlich Herrn Weynert nachgefahren sind, weil Sie eine Auseinandersetzung mit ihm hatten, gerade deshalb mußten Sie diese Pistole verschwinden lassen.«
    »So war es aber nicht.«
    Während er die Schriftstücke wieder in seine Aktentasche schob, blinzelte er zu den Zigaretten hin und sagte leise:
    »Ich habe es nicht bemerkt, daß Sie die Schachtel an sich genommen haben.« Er stand auf, während ich die Packung rasch verschwinden ließ. »Auf Wiedersehen, Herr Roeder. Ich werde mir alles nochmals genau überlegen, dann besuche ich Sie wieder. Kann ich sonst noch was für Sie tun?«
    »Grüßen Sie bitte Fräulein Uhlmann.«
    Er nickte.
    »Wird gemacht.«
    »Werde ich nochmals von der Kripo vernommen werden? Und was soll ich dann tun?«
    »Geben Sie denen ruhig Antwort, wenn sie was wissen wollen. Aber bleiben Sie bitte bei dem, was Sie mir eben gesagt haben.« Nach einer kleinen Pause fügte er erst hinzu: »Sollten Sie aber diese Aussagen doch eines Tages zu ändern wünschen, dann lassen Sie es mich zuerst wissen.«
    »Ich werde meine Aussagen nicht ändern.«
    Er reichte mir die Hand. Der Polizist brachte mich in meine Zelle zurück. Die schwere eisenbeschlagene Tür schloß sich, der Riegel draußen wurde vorgeschoben. Oben, an dem trüben, vergitterten Fenster tanzten Schneeflocken vorbei.

    Um sechs Uhr Wecken. Waschen in einer zerbeulten Emailleschüssel, die einer der Häftlinge in meine Zelle schiebt. Frühstück, dünner Milchkaffee und trockenes Schwarzbrot. Dann nichts mehr, nur die undeutlichen Geräusche, die von draußen hereinkommen. Mittagessen, nicht schlecht, nicht knapp, aber wenn man allein zwischen diesen Mauern hockt, vergeht einem der Appetit.
    Nach dem Essen der Spaziergang, dreißig Minuten auf dem Gefängnishof, immer im Kreis herum. Keine Möglichkeit, mit einem anderen Häftling zu sprechen. Diebe und Betrüger haben es leichter. Die liegen zu mehreren in Gemeinschaftszellen, können sich unterhalten, dürfen zur Arbeit gehen. Für einen Mordverdächtigen gibt es das nicht.
    Der Nachmittag, die Dämmerung, die schwache Glühbirne hinter Gitter an der Decke flammt auf. Das Abendessen. Schluß. Wieder ein Tag vorbei.
    Ich hatte meine Zigaretten gedrittelt, und für fünf Stück hatte mir der Kalfakter Streichhölzer besorgt. An dem Tag, als ich das allerletzte Drittel rauchte, kam der Anwalt wieder.
    Ich sah ihm sofort an, daß er keine ungünstige Nachricht brachte.
    »Mir ist ein Gedanke gekommen«, begann er, und seiner Stimme hörte ich den Schwung an, den er mitbrachte. »Könnte es denn nicht genau umgekehrt gewesen sein? Ich meine, daß in Wirklichkeit Herr Weynert Ihnen nachgefahren ist?«
    Ich tat, als verstünde ich nicht.
    »Warum sollte er das getan haben?«
    »Weil er Sie erpressen wollte.«
    Ich spürte den kalten Schweiß auf meiner Stirn. Was hatte dieser Dr. Herrmann inzwischen herausbekommen? Erregt fragte ich:
    »Womit... ich meine, weshalb hätte er mich erpressen können?«
    »Ganz einfach. Von Ihrer Frau hat er sicherlich erfahren, welche Art Mensch Sie sind. Empfindlich, sehr ehrgeizig, sensibel, und vielleicht sogar ein wenig... pedantisch. Kurz, er kann sich doch gedacht haben, daß es Ihnen etwas wert sein würde, gewisse Briefe und Fotos zurückzubekommen.«
    »Briefe und Fotos?«
    »Na ja, die Dokumente, die die Kriminalpolizei im Nachlaß des Toten gefunden hat. Dadurch ist man ja auf Ihre Spur gekommen.«
    »Ach so. Ja, natürlich, so könnte es wohl gewesen sein. Aber dann würde das doch beweisen, daß

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