Mord in h-moll
möchte Sie schon jetzt darauf aufmerksam machen, daß ein offenes Geständnis vom Gericht beim Strafmaß sicherlich berücksichtigt würde.«
»Ich habe nichts zu gestehen.«
Der Kommissar hob die Augenbrauen ein wenig hoch.
»So, Sie haben nichts zu gestehen. Das tut mir leid für Sie. Sie behaupten also nach wie vor, Weynert sei während Ihrer Abwesenheit aus der Balkontür gestürzt?«
»Das behaupte ich nicht, das ist so gewesen.«
Er nahm seine moderne Brille ab und blinzelte mich ein wenig kurzsichtig an. Während er seine Brille mit einem blütenweißen Taschentuch reinigte, sagte er, scheinbar ganz in seine Tätigkeit vertieft:
»Sie haben also Herrn Weynert erst in Davos kennengelernt?«
»Ja. Auf einem Spaziergang. Genauer gesagt am See.«
»Und dann haben Sie sich mit ihm angefreundet?«
»Ja. Das heißt, der Begriff der Freundschaft wäre übertrieben. Wir unterhielten uns miteinander, und wir waren beide ganz froh, nicht allein zu sein.«
Wenn ich nur gewußt hätte, was dort in Davos nachträglich passiert war. Oder hier in München. Hatte Weynert doch den bewußten Brief an die Polizei geschrieben? Nun, dann würde man mich auch wegen Hildas Tod verhören.
Der Kommissar setzte seine Brille wieder auf, erhob sich und setzte sich vor mich auf die Kante seines Schreibtisches.
»Also nun hören Sie mir mal in Ruhe zu, Herr Roeder. Gewisse Anzeichen deuten darauf hin, daß es sich doch nicht um einen ganz simplen Unfall gehandelt hat. Würden Sie uns nicht lieber behilflich sein, diese Sache aufzuklären?«
»Natürlich«, sagte ich. »Ich bin gern bereit, Ihnen zu helfen, soweit ich das kann. Dazu müßten Sie mir aber allerdings erst einmal sagen, auf welche Tatsachen sich Ihr Verdacht stützt. Sie müssen doch sehr zwingende Gründe haben, um aus einem Unfall einen Mord zu konstruieren. Und um einen unschuldigen Menschen verhaften zu lassen.«
»Worauf Sie sich verlassen können. Über die Details werden wir uns noch später unterhalten.« Er beugte sich über den Schreibtisch, zog eine Pistole aus der Schublade und hielt sie mir hin.
»Da, Herr Roeder, die gehört Ihnen doch?«
»Nein, die gehört mir nicht. Ich habe noch nie eine Pistole besessen.«
»Dann sind Sie ein wissenschaftliches Phänomen mit den gleichen Fingerabdrücken wie der wirkliche Besitzer.« Er legte die Pistole wieder weg und fuhr fort: »Aber lassen wir das zunächst einmal, es ist nicht so wichtig. Viel mehr würde mich interessieren... ach ja, Sie wollten sich doch in Davos erholen, wenn ich recht informiert bin?«
»Ja, das wollte ich. Der Urlaub wurde mir durch den Unfall verleidet.«
»Aber Sie fuhren hin, um dort Urlaub zu machen. Sie waren mit den Nerven sehr herunter, da kurz zuvor Ihre Frau gestorben war, stimmt das?«
»Ja, das stimmt«, gab ich zu. Aber ich sah irgendwo in meinem Innern ein rotes Warnsignal. Zum ersten Mal war Hildas Tod erwähnt worden. »Ja«, wiederholte ich, »meine Nerven waren durcheinander geraten, ich brauchte ein paar Tage Entspannung.«
Der Kommissar setzte sich wieder.
»Das ist begreiflich. Was ich aber nicht ganz verstehe... warum haben Sie in Bregenz Ihre Fahrt unterbrochen?«
Diese Frage hatte ich nicht erwartet, sie überraschte mich völlig. Woher wußte das die Kripo? Außer Carl Weynert, der mir ja heimlich gefolgt war, konnte das doch kein Mensch ahnen?
»Ich... ich wollte die Gelegenheit benützen und mir Bregenz anschauen.«
Ich konnte seinem Gesicht nicht ansehen, ob er mir glaubte oder nicht. Er nickte nur und fragte:
»Dann sind Sie nochmals umgestiegen?«
»Ja, das mußte ich. In St. Margarethen.«
»Ganz richtig. Dort haben Sie dann auch Frau Mueller getroffen und ihre Bekanntschaft gemacht.«
»Ja.«
»Und Sie haben Herrn Weynert weder in Bregenz noch in St. Margarethen gesehen?«
»Nein.«
Sein Gesicht änderte sich plötzlich. Die Zeit der höflichen Plauderei schien abgelaufen zu sein. Er fuhr mich an:
»So hören Sie doch endlich mit Ihren Lügen auf. Sie sind doch Herrn Weynert nachgefahren, haben ihn keine Sekunde aus den Augen gelassen, und als er den Zug in Bregenz verließ, um Sie loszuwerden, sind Sie ihm auch da gefolgt. Geben Sie es doch zu!«
Mir blieb der Atem weg. So wurde das also nun umgedreht! Aber ich konnte ja nicht erklären, daß sich genau das Gegenteil abgespielt hatte, daß mir Carl Weynert nachgefahren war, um mich zu erpressen. Das konnte ich doch nun wirklich nicht sagen.
»Sehen Sie«, hörte ich den Kommissar
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