Mord in Londinium
verzichtet, da ich dachte, es ginge nur um die Rechnungsprüfung eines Bauprojekts. Außerdem konnte man ein Schwert diskret verbergen, doch ein Schild wäre zu offensichtlich gewesen. In Rom bewaffnet durch die Stadt zu gehen war gesetzwidrig. Hier in den Provinzen wurden persönliche Waffen einfach hingenommen (Mars Ultor, man versuche mal einen Germanen oder Spanier aufzufordern, sein Jagdmesser zu Hause zu lassen!), obwohl jeder, der sich auf der Straße verdächtig benahm, von den Legionären angehalten und seiner Waffen entledigt wurde, ohne dass man ihm erst lange Fragen stellte.
Na ja, jeder bis auf die Schlägertypen, die sich durch Drohungen oder Bestechungen das Recht nahmen, sich ohne Behinderung bis an die Zähne zu bewaffnen. Wenn Geld spricht, dann singt schmutziges Geld.
Und es lässt sich damit auch jede Menge Verstärkung erkaufen, wie ich bald merken sollte.
Mein Auge nahm eine Bewegung wahr. Ein Tor auf der anderen Seite war teilweise geöffnet worden.
Zuerst war es unmöglich, zu erkennen, was da geschah oder wie viele Neuankömmlinge im schattigen Eingang standen. Ich ging schneller, immer noch am Außenrand, in Richtung des Tors. Die beiden Mädchen im Zentrum setzten ihr Training fort, hatten sich aber etwas gedreht, damit sie beide das hintere Tor im Blick hatten.
»Amazonia!«, rief eine Männerstimme. Die Mädchen blieben stehen; diejenige mit dem Zopf machte eine Begrüßungsgeste, forderte ihn auf, zu ihnen in die Arena zu kommen. Eine Antwort schien nicht zu erfolgen. Die beiden warteten. Ich verließ die Palisade und bewegte mich langsam auf sie zu. Eine männliche Gestalt trat aus dem Eingang heraus. Ich sah, dass er schlank, gebräunt und kahlköpfig war. Er trug schicke, dunkelbraune Lederhosen und Bauarbeiterstiefel. Um seine bloßen Arme waren enge Lederbänder gewunden, um die Muskeln hervortreten zu lassen. Er sah wie jeder abgebrühte Spinner aus der Subura aus, und die sind ein Furcht erregender Anblick.
Er war niemand, den ich kannte – dachte ich wenigstens zuerst.
Hinter ihm, ein paar Schritte entfernt, kamen noch fünf andere. Sie verteilten sich seitlich zu einer Reihe und schritten gemächlich voran. Bisher schienen die Chancen ganz gut zu stehen. Zwei für jeden, wenn ich mich den Frauen anschloss. Die Schläger trugen gewöhnliche Straßenkleidung, aber sogar aus dieser Entfernung konnte ich sehen, dass sie schwer bewaffnet waren. Sie hatten Schwerter und Dolche im Gürtel stecken, und zwei hatten dazu noch Stöcke in der Hand. Sie schlenderten herein, benahmen sich wie Sklaven im Gefolge eines reichen Mannes, die Ärger machen würden, nur weil sie damit durchkommen konnten. Mich täuschten sie nicht. Diese Männer wussten genau, worauf sie aus waren, und zwar auf eine üble, gemeine Sache.
Ich lief schneller durch den Ring. Chloris und ihre Freundin hatten sich leichtfüßig bewegt. Sie schlossen sich zusammen, total wachsam und die Schwerter erhoben, bereit, sich ihnen entgegenzustellen.
Der Mann in der Lederhose blieb in Rufweite vor ihnen stehen. Die Schläger schwärmten zu beiden Seiten von ihm aus und schlossen auf. Sie hielten einen gewissen Abstand zu den beiden Gladiatorinnen, aber wenn die Mädchen zum Außenrand ausscherten, konnten sie leicht eingeholt werden. Ich wurde langsamer, wollte mich in nichts hineinstürzen, was ich nicht überblicken konnte.
Der mir am nächsten stehende Schläger musterte mich. Er war etwa zwanzig Schritte von dem Paar im Zentrum entfernt und halb so viele von mir. Es hatte keinen Sinn, ihn anzugreifen, zumindest jetzt noch nicht. Er war ein verrotzter Brutalo mit strammen Waden, der noch nie ein Badehaus von innen gesehen hatte. Ich sah den tief in seine Haut eingedrungenen Dreck, und seine strähnigen Haare waren so schmierig wie die stinkende Wolle eines alten Schafs.
»Amazonia!« Der kahl geschorene Autokrat wiederholte ihren Namen etwas besänftigender. Sein Akzent verriet ihn: Rom. Dort geboren und dort mit Korruption vertraut gemacht. Es war eine helle, erstaunlich schwache Stimme. Sie klang immer noch geringschätzig und arrogant. Das musste Florius sein.
Er war nur so weit gegangen, wie er musste, geschützt von seinen Männern. Wenn die Mädchen versuchten, ihn zu erreichen, würden sie mit Sicherheit aufgehalten werden. Sie versuchten es nicht. Und sie antworteten auch nicht. Angespannte Stille erfüllte das Amphitheater. Alles war so still, dass ich das schwache Klirren eines Kettenpanzers hören
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