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Mord in Londinium

Titel: Mord in Londinium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Momentan konnte man der anderen Seite eventuell noch etwas zurufen, aber wenn all Plätze gefüllt waren, war das unmöglich.
    Amazonia und ihre Freundin umkreisten sich. Sie waren in eine Parodie männlicher Gladiatorenausrüstung gekleidet: kurze weiße Röcke mit breiten Gürteln, die bis unter den Busen reichten. Wäre die Arena voll besetzt, würden sie vermutlich barbusig auftreten, wegen des Nervenkitzels. Heute trugen sie Schützer für Beine, Schultern und Unterarme. War das beim Training so üblich? Sie mussten auch manchmal mit dem vollen Gewicht von Beinschienen und Brustharnisch trainieren. Das eine Mädchen konnte ich nicht erkennen, da es einen Helm mit Visier trug. Auf die Entfernung schien Chloris unverkennbar zu sein. Ich beharre darauf, dass ich, wäre ich näher dran gewesen und hätte sie sich nicht hinter einer schlitzäugigen Bronzegesichtsmaske versteckt, sie an ihrer Augenfarbe erkannt hätte. (Laut Helena hätte ich sie an der Größe ihres Busens erkannt.) Wie dem auch sei, Chloris hatte den für sie typischen, langen schwarzen Zopf. Und ich erkannte die Stiefel, die sie in meinem Beisein ausgezogen hatte, als sie sich über mich hermachen wollte.
    Sie schwangen ihre Schwerter, ließen sie zusammenklirren und schwangen sie wieder – echte Klingen, keine Übungswaffen. Manchmal kehrte die eine der anderen den Rücken zu. Sie wartete, bis sie einen Hieb kommen spürte, riss das Schwert hinter sich hoch oder wirbelte herum und parierte lachend. Sie waren mit ganzem Herzen dabei. Die angestrengten Grunzer waren echt. Ich sah vor Jubel gebleckte Zähne nach jedem erfolgreichen Manöver. Sie waren gut, genau wie Chloris geprahlt hatte. Sie genossen den Sport. Sie arbeiteten natürlich als Paar. Professionelle Arbeit als Schau. Wenn sie als Paar auftreten, sieht ihre Kunst gefährlicher aus, als sie ist. Ihre Geschicklichkeit ist auf Wirkung choreografiert, während sie gleichzeitig improvisieren, um Erregung zu erzeugen. Blut, aber kein Tod. Beim Auftritt kennen sie einander gut genug, um am Leben zu bleiben – im Allgemeinen.
    Ich fragte mich, ob sie echte Kämpfe gegeneinander ausfochten. Das muss so gewesen sein. Sonst hätte man sie als zweitklassig betrachtet – und diese Mädchen waren eindeutig beliebt. Die Öffentlichkeit hatte sie als Profis akzeptiert. Ob meine leichtfüßige, geschmeidige Exfreundin wohl schon mal jemanden getötet hatte? Und war schon mal eine aus ihrer Mannschaft getötet worden?
    Chloris hatte Florius hier eine verzwickte Aufgabe gestellt. Im Moment war sie durch die schiere Entfernung geschützt. Die einzige Möglichkeit, an sie ranzukommen, war durch das große Eingangstor. Sich anzuschleichen und über die Sicherheitsbarriere zu springen war unmöglich und ergab außerdem keinen Sinn. Da draußen in der Mitte würde sie jeden kommen sehen, egal aus welcher Richtung. Hatte sie mich bemerkt? Wenn sie nach Florius Ausschau hielt, dann hätte sie es tun sollen. Ich konnte es nicht erkennen. Die beiden Mädchen schienen völlig in ihr Training vertieft, und ich würde mich hüten, ihnen etwas zuzurufen. Ihre Aufmerksamkeit abzulenken, wenn sie in dieser Geschwindigkeit arbeiteten, könnte dazu führen, dass aus schierer Zufälligkeit ein Schwerthieb ins Fleisch eindrang.
     
    Auf den Tribünen saßen zu viele Menschen. Abgesehen von den Männern, waren noch einige Paare da und sogar eine Gruppe kichernder Mädchen im Schulalter – die es natürlich auf die Männer abgesehen hatten. Hoch oben in der Loge des Schirmherrn entdeckte ich eine einzelne, eng in eine Stola gehüllte Frau; frieren konnte sie bei dieser Hitze nicht, also wollte sie damit wohl ihre Anonymität wahren. Sie schien das Paar in der Arena intensiv zu beobachten – vielleicht eine Möchtegern-Kollegin, die sich der Gruppe anschließen wollte, oder auch nur eine einsame Lesbierin, die in eine von ihnen verknallt war.
    Ich beschloss, mich von den Toren zu entfernen. Sollte Florius hinter mir auftauchen, wollte ich ihn nicht verscheuchen. Alles war ruhig. Ich setzte mich in Bewegung und ging um den Innenraum herum.
    Nachdenklich strich ich über meinen Schwertknauf. Ich trug mein Schwert auf militärische Weise, hoch auf der rechten Seite, unter dem Arm, bereit, mit einer raschen Handgelenksdrehung herausgezogen zu werden. Es ging darum, genügend Freiraum für den Schild zu lassen, aber natürlich hatte ich keinen Schild. Selbst auf dieser überseeischen Reise hatte ich auf so einen Schutz

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