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Mord in Londinium

Titel: Mord in Londinium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Ring. Durch große, zeremonielle Doppeltüren, die momentan offen standen, konnte ich in die Arena sehen. Rechts neben den Türen befand sich eine kleine Pforte, zu der ein ausgetretener Gang führte, zweifellos benutzt von den Helfern, wenn sie bei Veranstaltungen mitwirkten. Die Pforte war geschlossen. Die Arena schien die übliche ovale Form zu haben. Sie war auf dieser, der größeren Achse, die von West nach Ost verlief, vielleicht hundert Schritt lang. Bevor ich hineinging, schaute ich mich im düsteren Eingangsbereich um. Rechts und links befanden sich Vorräume, beide leer. Der eine, der vermutlich als Aufenthaltsraum für die Gladiatoren vor dem Kampf diente, enthielt einen kleinen Schrein, momentan von einer einzigen Öllampe erleuchtet. Der andere war für die wilden Bestien bestimmt und besaß ein massives Zuggatter am Eingang zum Ring. Es war unten. Ich überprüfte den Flaschenzug, der das Gatter mit seidiger Leichtigkeit für rasches Handeln bewegte. Mit einer Hand hob ich es ein paar Zoll an und ließ es wieder zufallen.
    Ich kehrte in den Hauptgang zurück und ging durch die riesigen, offenen Tore hinaus. Sie hatten eine gewaltige Holzschwelle, über die ich vorsichtig hinwegstieg.
    Die eigentliche Arena musste ein paar Fuß tief ausgegraben worden sein, dann hatte man die Abflussrohre installiert und alles mit schweren Lagen Sand aufgefüllt; der Untergrund würde fest gestampft sein, darüber ein paar Zoll lockerer Sand, der geharkt werden konnte. Um das Oval, gestützt von massiven Holzpfosten, befanden sich etwa fünfzehn bis zwanzig Tribünenreihen mit holzverschalten Sitzen. Ich zählte sie nicht genau. Eine Barriere hielt die Zuschauer der ersten Sitzreihe zurück. Darunter verlief ein Gang um den gesamten Innenraum, geschützt von einer hohen, sehr stabilen Holzpalisade, die ebenfalls das ganze Oval umschloss. Auf diese Weise konnten weder rasende Bestien noch menschliche Kämpfer entkommen und auch keine angeberischen Verrückten aus der Menge hineinspringen.
    Die einzigen Zugänge zur Arena selbst befanden sich hier, wo ich stand, und auf der gegenüberliegenden Seite. Das sah sehr weit entfernt aus. Die Tore dort waren geschlossen, soweit ich erkennen konnte. Vermutlich wurden da die Leichen herausgeschleift. Da keine Vorführung stattfand, würde das andere Ende heute nicht benutzt werden.
    Über mir ragte jetzt der östliche Zugang auf. Die Kämpfer würden durch diese zwei mächtigen Tore, die sich an großen Metallscharnieren und Angeln nach innen öffneten, in die Arena marschieren. Nervöse Kombattanten würden mit grummelndem Magen durch den dunklen Eingang in das blendende Licht und den Lärm der Menge hinaustreten.
    Mich überlief ein Schauder. Als ich das letzte Mal ein Amphitheater betrat, hatte ich zusehen müssen, wie mein Schwager, Maias glückloser Ehemann, von den Löwen in Leptis Magna zerrissen wurde. Daran wollte ich lieber nicht denken. Aber während ich hier auf dem Sand stand, konnte ich der Erinnerung nicht ausweichen: die Rufe der Arenahelfer zur Ermutigung der Tiere, das Brüllen der Löwen, das Kreischen der Menge, Famias Wut und Unverständnis, dann seine grausigen Schreie.
    Heute war es heiß, aber nicht so heiß wie in der nordafrikanischen Sonne, die auf offenes Land niederbrannte. Die Arena, voll mit farbenfrohen Menschen, hatte sich außerhalb der Stadt befunden, an einem sonnenversengten, hellen Meeresstrand unter dem schimmernden blauen Himmel des südlichen Mare Internums. Heute war die Luft, ungewöhnlich für Londinium, unangenehmer und schwül, und ein Gewittersturm zog auf, der das heiße Wetter, vermutlich heute Abend, beenden würde. Schweiß lief unter der Tunika an mir herunter, sogar hier im kühlenden Schatten des Arenaeingangs. Drei Fuß vor mir sah der Sand mörderisch heiß aus. Zwischen dem goldenen Glitzern von Glimmer waren dunkle, schaurige Flecken zu sehen. Die Helfer harken zwar das Blut weg, aber die widerlichen Spuren der Vergangenheit bleiben stets erhalten. Starkes Sonnenlicht bringt den Gestank kürzlicher und länger zurückliegender Gemetzel hervor.
    Weit drüben auf dem Sand bewegten sich zwei Gestalten. Ich wandte ihnen meine Aufmerksamkeit zu.
    Das abgemessene Klirren von Schwertern hallte in dem hohlen Oval wider. Ohne das Gebrüll der Menge klingt jedes Amphitheater merkwürdig. Hier, in Bodenhöhe, mit Blick über die volle Länge bis zu den geschlossenen Toren am anderen Ende, war ich erstaunt über die immense Entfernung.

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