Mord in Londinium
verzweifelt war. Wir erkannten es auch.
Der Text war brutal. Es war eine Lösegeldforderung, aber es ging nicht um Geld. Die Bande behauptete, sie hätten Maia. Sie boten an, sie zurückzugeben – im Austausch gegen Petronius.
L
Panik entstand. Eine rasche Suche ergab, dass meine Schwester nirgendwo in der Residenz war. Seit mindestens einem Tag hatte keiner sie gesehen. Die Residenz war groß, und Menschen gingen ein und aus. Daher war sie in der Aufregung über die Identifizierung der Gangster nicht vermisst worden. Ihr Zimmer sah noch genauso aus wie am gestrigen Morgen, als Helena und ich hineingegangen waren. Maia hatte dort letzte Nacht nicht geschlafen. Schlimmer noch, und obwohl die Gangster sie nicht erwähnt hatten, keines ihrer Kinder konnte gefunden werden.
Alle konnten sich nur daran erinnern, dass Maia erwogen hatte, die Einladung in Norbanus’ Villa anzunehmen. Ich fragte mich jetzt, ob Petronius gestern Nacht wegen mehr besorgt gewesen war als seiner Jagd nach Florius. War er in der Dunkelheit losgaloppiert, weil er befürchtete, dass Maia in das Versteck der Gangster gelockt worden war? Natürlich, sie wusste ja nicht, dass Norbanus ein Schurke war. Maia hatte die allgemeine Ansicht geteilt, ihr Bewunderer sei »ein netter Mann«.
Aelia Camilla gab besorgt zu, dass sie Maia die Erlaubnis gegeben hatte, das Boot des Prokurators zu benutzen. Dieses Fahrzeug, das, wie ich wusste, ein robuster Kahn mit flachem Boden und geeignet für Küstengewässer war, lag jetzt nicht mehr an seinem Ankerplatz. Auch die Besatzung fehlte.
Petronius wurde gefunden. Als erste Reaktion beschimpfte er mich wütend, weil ich meiner Schwester so viel Freiheit »erlaubte«.
»Ach, mach dich doch nicht lächerlich.« Voller Angst um sie, brauste ich ebenfalls auf. »Maia tut, was sie will. Sie hört nie auf mich oder auf sonst jemanden. Wenn ich versucht hätte, sie aufzuhalten, mit der bescheuerten Begründung, ihr Vormund zu sein, wäre sie noch trotziger geworden – und hätte mir vorher vermutlich ein blaues Auge verpasst.«
»Sie hat sich unwissentlich an den falschen Ort begeben«, murmelte Helena. »Sie weiß nicht, mit wem sie es zu tun hat.«
»Ich fürchte mich vor ihrer Reaktion«, knurrte Petro. »Maia wird den Mund nicht halten, und bei gewalttätigen Kriminellen eine große Lippe zu riskieren ist verdammt gefährlich. Wenn sie sie verprügeln …« Er verstummte.
»Norbanus könnte immer noch den Charmanten spielen«, versuchte Helena ihn zu beruhigen. Der Gedanke, dass Maia mit Norbanus ein Schäferstündchen genoss, machte Petro und mich nicht fröhlicher. »Außerdem hast du sie nicht in der Villa gefunden, Lucius. Rede dir ein, dass sie in Sicherheit ist. Vielleicht mag Norbanus sie ja wirklich.«
»Er hat das eingefädelt.« Petros Reaktion war düsterer. »Hat sie von Anfang an als Köder benutzt.«
»Florius.« Ich war ihm voraus. Na ja, es war ja auch offensichtlich. »Norbanus hat sie angemacht, weil er ein Fremder war. Florius musste sich bedeckt halten, weil er sonst vielleicht erkannt worden wäre. Aber Florius steckt hinter der ganzen Sache. Norbanus konnte den Statthalter gefahrlos besuchen. Zuerst ging es darum, herauszufinden, was Frontinus über die Jupiter-Schutzgelderpresser wusste, aber sobald du als einer der Vigiles bloßgestellt wurdest, Petro …«
»Der dämliche Statthalter hätte die Schnauze halten sollen! Florius muss sofort kapiert haben, dass sie mich aus dem Weg räumen mussten, wenn ihr britannisches Unternehmen funktionieren soll.«
Ich stimmte zu. »Florius hat die Sache sorgfältig geplant, um an dich ranzukommen. Von dem Moment an, als sie wussten, dass du was für Maia übrig hast, war sie eine gebrandmarkte Frau.«
»Der Harfenist«, sagte Helena. »Er wurde hergeschickt, um zu spionieren – und er kann nicht lange gebraucht haben, bis er merkte, dass Petronius Maia und ihrer Familie sehr nahe steht. Die Kinder haben dauernd von dir geredet, Lucius.«
»Eine der ständig ausgesprochenen Sorgen der Kinder war, warum du verschwunden warst, als du verdeckt zu ermitteln begannst«, stöhnte ich. »Die Bande muss das sofort durchschaut haben. Sie konnten zwar diese laschen Soldaten von Londinium bestechen, aber du gehörst in eine andere Kategorie.«
»Und durch Maia konnten sie an dich herankommen«, sagte Helena.
Petronius schüttelte den Kopf. »Ich verstehe nicht, wie sie auf den Gedanken kommen konnten.«
»Mach dir doch nichts vor«,
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