Mord in Londinium
schnauzte ich ihn an.
»Sie behandelt mich wie …«
»Oh, hör auf, so beschränkt zu sein! Wir wissen alle, was läuft. Außerdem hat der Harfenist sie an jenem Abend in dein Zimmer gehen sehen.«
»Was?« Helena richtete einen anklagenden Blick auf mich. Petronius selbst, normalerweise so gelassen, verbiss sich jeden Kommentar, aber seine Verärgerung war ihm deutlich anzusehen. Jetzt wussten sie beide, dass ich ein Zeuge gewesen war. Meine Diskretion über den Vorfall brachte mir keine Lorbeerkränze ein.
Petronius unterdrückte seinen Ärger und versuchte immer noch, die Sache abzutun: »Das hatte doch nichts zu bedeuten …«
Jetzt riss Helena die Geduld. »Juno! Lucius Petronius, wie kannst du nur so blind sein? Jedem ist klar, was Maia empfindet.«
Er funkelte sie an. »Mir nicht.«
»Oh, dann will ich es dir sagen!« Erregt stapfte Helena auf und ab. Sie war nervös und machte sich schreckliche Sorgen um Maia. »Du trinkst zu viel, du machst zu vielen Frauen schöne Augen, deine Arbeit ist gefährlich«, ratterte sie herunter. »Du bist ein Risiko für eine Frau, die ein gutes Leben haben möchte – aber Maia Favonia brennt darauf, dieses Risiko einzugehen. Du musst der aufregendste Mann sein, der ihr je den Hof gemacht hat.« Petronius sah sie verblüfft an. Helena brachte ihn auf den Boden zurück: »Und von denen hat es viele gegeben! Maia will dich – aber sie will nicht von dir hinters Licht geführt werden. Ihre Kinder lieben dich – sie will nicht, dass sie enttäuscht werden. Und wenn du jetzt nichts unternimmst«, sagte Helena leiser und blieb stehen, »wird sie deinetwegen sterben.«
»Das wird nicht passieren.«
»Warum«, wollte Helena wütend wissen, »sitzt du dann noch hier rum?«
»Weil es ein Spiel ist«, erwiderte Petronius knapp. Er saß tatsächlich (auf einem Stuhl, den Maia oft benutzt hatte). Sein Gesicht war angespannt, aber er musste letzte Nacht geschlafen haben, und er hatte bei vielen anderen Gelegenheiten schon schlimmer ausgesehen. In grimmigem Ton erklärte er: »Sie werden sie zurückgeben und mich stattdessen nehmen – doch zuerst muss Florius mit mir spielen.« Er hatte Recht. Florius würde ihn demütigen und ihn mit seiner Furcht um Maia quälen. Erst dann würde Florius ihn an Land ziehen. »Es macht keinen Spaß, wenn ich nicht leide. Ich sitze hier, weil ich jetzt warten muss, bis der Schweinehund Instruktionen schickt.«
Petronius war sehr leise und still. Er wusste genau, welches Schicksal ihn erwartete, wenn er sich der Florius-Bande ergab. Da es um Maias Leben ging, würde er das Opfer bringen.
LI
Sie ließen uns einen ganzen Tag und eine weitere Nacht lang leiden.
Während Petronius auf die nächste Nachricht wartete, blieb er in der Residenz. Er aß wenig, ruhte sich aus und schärfte hin und wieder sein Schwert. Er würde es nicht benutzen können. Sie würden verlangen, dass er unbewaffnet kam. Diese zwanghafte Beschäftigung war nur eine alte Legionärsangewohnheit, um nicht durchzudrehen, bevor die Schlacht begann. Ich machte dasselbe.
Ich stand selbst unter Spannung. Von dem Moment an, als Helena begriff, wie ernst die Sache für Petronius war, machte sie mich für seine Rettung verantwortlich. Ihre dunklen Augen flehten mich an, etwas zu unternehmen. Ich musste wegschauen. Wenn es irgendwas gegeben hätte, das ich hätte tun können, wäre ich in Aktion getreten.
Die offiziellen Stellen waren endlich in Bewegung gekommen. Ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich das gut fand, aber es war beruhigend, dass sich unabhängig von den Gangstern etwas tat. Der Statthalter übernahm persönlich die Kontrolle. Er ließ Männer unauffällig alles durchsuchen, was mit dem Jupiter-Imperium in Verbindung stand. Anders als bei den üblichen lärmenden, von Regierungsstellen durchgeführten Razzien, gingen die Soldaten in kleinen Gruppen vor, denen nur noch die Fellpuschen fehlten, um ihre Schritte zu dämpfen. Sie nahmen sich alle Schenken und Einrichtungen, die offenkundige Verbindungen mit den Geldeintreibern hatten, eine nach der anderen vor. Norbanus’ Haus und die flussabwärts gelegene Villa waren bereits durchkämmt und versiegelt worden.
Aus den Erkenntnissen über das bisherige Vorgehen der Bande hatte Frontinus inzwischen geschlossen, dass sie ihre Gewinne aus Sicherheit in dem Lagerhaus am Kai unterbrachten und Florius dann von der Villa kam, um sie in seinem kleinen Boot flussabwärts zu bringen. Ein größeres, seetüchtiges
Weitere Kostenlose Bücher