Mord in Londinium
Schenke wird nicht viel Wasser verlangt. Ich hole es aus dem Badehaus, wenn ich welches brauche.« Er bot nicht an, das jetzt auch zu tun.
»Und woher kriegt das Badehaus das Wasser?«
»Sie investieren in tiefe Schächte.«
»Ich verstehe, dass sich das für Sie hier nicht auszahlen würde – wie werden Ihre Latrinen gespült?«
»Ach, irgendwann tröpfelt das Waschwasser da durch. Das funktioniert gut, außer wir haben ein großes Fest zum Geburtstag eines Zenturios …«
Ich nahm davon Abstand, mir die Auswirkung auf seine Latrine vorzustellen, wenn dreißig große Legionäre Schüsseln voll heißem Schweinefleischeintopf mit extra Fischsoße verzehrt hatten, dazu achtzehn Becher keltisches Bier und dann noch ein Feigenwettessen …
Ich kippte Silvanus das Wasser über den Kopf.
Nach mehreren Eimern hatten wir das Stadium des Fluchens erreicht. Ich fluchte. Er lümmelte sich weiter auf den Tisch, immer noch in trotzigem Schweigen. Manche Privatschnüffler geben mit ihrer effektiven »Mach-sie-betrunken-damit-sie-dir-alles-erzählen«-Technik an. Das ist eine Lüge. Wie gesagt, Zeugen sind zu schnell hinüber. Oft ist es nicht mal der Zeuge, der betrunken zusammensackt, sondern der Ermittler.
»Silvanus!« Jetzt half nur noch Brüllen. »Wach auf, du Weichei. Ich will wissen, ob es im ›Goldenen Regen‹ öfter Ärger gegeben hat.«
»Leck mich, Falco!«
»Vielleicht ein andermal. Beantworte die Frage!«
»Gib mir was zu trinken. Ich will was zu trinken.«
»Du hast schon was zu trinken gekriegt. Ich spendier dir noch was, wenn du mir antwortest. Was geht da hinter den Kais vor, Silvanus?«
»Leck mich, Falco …«
Und so ging es noch eine Weile weiter.
Ich bezahlte die Rechnung.
»Sie gehen?«, fragte der Wirt. »Aber er hat Ihnen ja gar nichts erzählt.«
Das würde er auch nicht. »Reicht schon«, antwortete ich obenhin.
»Worum geht’s denn eigentlich?« Er war neugierig. Konnte sich lohnen, ihm einen Augenblick Aufmerksamkeit zu schenken.
Ich musterte ihn. Er war ein kahlköpfiger Kriecher in einer sehr blauen Tunika mit einem unnötig breiten Gürtel. Ich bemühte mich, ihn mit festem Blick anzustarren. Inzwischen schaute ich selbst so verschwommen, dass ich nicht mal einen Tintenkleckser hätte einschüchtern können. »Ärger in einer anderen Schenke«, hickste ich.
»Schlimm?«
»Ein auswärtiger Besucher wurde ermordet.«
»Bah, wie eklig! Wen hat’s denn erwischt?«
»Ach – einen Geschäftsmann.«
»Wollte sich wohl bei einer Bande reindrängeln«, meinte der Wirt wissend.
»In Britannien?« Ich dachte zuerst, er würde Spaß machen. Aber der Wirt war gekränkt über die Beleidigung des von ihm gewählten Aufenthaltsortes. Ich überspielte meinen Unglauben mit einem Pfiff. »Mann! Das ist ja ein Ding. Worauf wollen Sie hinaus? Schutzgelderpressung? Glücksspiel? Zuhälterei?«
»Oh, darüber weiß ich nichts.« Er wurde zugeknöpft und begann, Tische abzuwischen. Sorgfältig wischte er um Silvanus herum, ohne ihn zu berühren.
»Gibt’s hier auch Ärger?«, fragte ich.
»Aber nein!« Natürlich nicht. Nicht in einer halb militärischen Schenke.
»Verstehe.« Ich tat so, als ließe ich das Thema fallen. »Sind Sie von hier?«
Er zuckte zusammen. »Seh ich so aus?« Er sah aus wie eine Landplage. Das hatte ich schon gedacht, bevor ich betrunken war. »Nein, ich bin rübergekommen, um die Schenke zu übernehmen.«
»Rüber? Von Gallien?« Also gehörte er zu dem großen Schwarm von Mitläufern, die sich an die Armee anhängen. Das funktionierte zum gegenseitigen Nutzen, wenn es funktionierte. Die Jungs wurden unterhalten und versorgt; die Einheimischen verdienten ihren Lebensunterhalt durch die Versorgung, einen Lebensunterhalt, der ohne Rom nicht möglich gewesen wäre. Einst hätte dieser Mann sein ganzes Leben in einer Ansammlung runder Hütten verbracht, jetzt konnte er reisen und einen Hauch von Weltgewandtheit mitbekommen. Außerdem verdiente er Geld. »Na dann, vielen Dank.«
Ich hätte ihm ein größeres Trinkgeld geben können, aber er hatte mich verärgert, also ließ ich es bleiben. Außerdem hoffte ich, nie wieder herkommen zu müssen.
Ich lehnte Silvanus gegen die Wand und ging diesmal wirklich.
VIII
Jetzt wusste ich also, dass es Verbrecherbanden gab.
Es hatte mich den halben Nachmittag gekostet, Informationen zu bekommen, über die ich lieber nicht gestolpert wäre. Und um das zu erreichen, hatte ich mich in einen Zustand
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