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Mord in Londinium

Titel: Mord in Londinium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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getrunken, in dem es besser war, diese Art von Hinweis nicht weiter zu verfolgen.
    Ich war gerade noch nüchtern genug, um das zu erkennen. Ein Schluck mehr, und es hätte tödlich enden können.
    Mich in dieser Verfassung nicht sofort nach Hause zu begeben war eine gute Idee. Nicht in die kannelierten Hallen der vornehmen Residenz des Prokurators. Was sein arrogantes Personal dachte, war mir egal, aber meine Frau und meine liebe Schwester waren da etwas ganz anderes. Sowohl Helena wie auch Maia hatten mich schon betrunken erlebt, und beide konnten darüber deftige Sprüche loslassen. Ich war ziemlich müde und hatte keine Lust, mir das erneut anzuhören. Ich brauchte einen Schlupfwinkel, in dem ich mich ausnüchtern konnte. Rom war voll mit solchen Winkeln, wo ich mich in angenehmer Gesellschaft eine Stunde lang unterhalten konnte, bis mein Kopf wieder klar war. Londinium bot nichts dergleichen.
    Welcher Unternehmer würde also ernsthaft erwägen, sich in so einer Stadt niederzulassen? Nur ein dämlicher.
    Ich war ein Junge aus der Stadt, machte das, was wir in solchen Fällen tun: Ich ging aufs Forum. Der erste Teil des Weges führte hügelabwärts. Das half. Nachdem ich den Wasserlauf überquert hatte, in den Boudiccas Horden die abgeschlagenen Köpfe ermordeter Siedler geschmissen hatten, ging es wieder bergauf. Ein Fehler, wie ich spürte.
    Romulus hatte eine bessere Idee gehabt, wo man ein Forum anlegen sollte. Wenn man in Rom über Mittag ordentlich gezecht hat, kann man den Palatin oder Esquilin kräftig schwankend hinunterstolpern und braucht nicht weiterzugehen. Unten im Tal an der Via Sacra kann man sich auf das uralte Straßenpflaster legen, zu gewaltigen Tempeln und mit Statuen geschmückten Verwaltungsgebäuden hinaufschauen, und macht man in gesitteter Form schlapp, wird man in Ruhe gelassen, kann ermattet in einen langen, schattigen Portikus sinken oder sich mit dem Rücken gegen eine mächtige Carrarasäule lehnen, die vielleicht von dem edlen Säufer Mark Anton aufgestellt wurde. Basiliken und Heiligtümer liegen entlang dieser Prachtstraße, an der jahrhundertelang rücksichtsvolle Generäle und Prinzen Triumphbogen errichtet haben; der dichte Schatten schützt die Schläfrigen vor dem unbarmherzigen Sonnenlicht. Brunnen und Becken in der Nähe bieten der ausgetrockneten Kehle kühles Wasser. In Extremsituationen bleibt einem immer noch die ultimative Rettung: Im Tempel der Isis bieten willfährige Frauen an, den Erschöpften zu einem Schläfchen mit nach Hause zu nehmen.
    Bisher bestand das Forum von Londinium nur aus einer vierseitigen Einfriedung mit einer stillen Basilika. An den anderen drei Seiten standen leere Lagerräume, Geschäfte und Büros. Eine Kolonnade lag verlassen da. Am äußeren Rand war der funkelnagelneue Rohbau eines einsamen Tempels zu sehen. Das war alles. Zumindest schien hier keine Sonne.
    Schwer atmend setzte ich mich auf einen Poller. Es war Anfang August. Während ich mit Silvanus getrunken hatte, schien ein schwerer Regenguss niedergegangen zu sein. Jetzt war er vorbei, und der Tag war warm genug, sich in offenen Schuhen und einer kurzärmeligen Tunika wohl zu fühlen, aber auf meinem Weg hierher lief das Wasser noch von den gewölbten Straßen ab. Immer noch standen einige der wenigen Menschen, denen ich begegnete, vollkommen bedröppelt in Türeingängen, als suchten sie Schutz. Feinster Sprühregen trieb durch die Luft. Heftige Windstöße jagten um die Gebäude. Der Himmel war einförmig grau, und selbst am späten Nachmittag schien das Licht schon trübe zu schwinden. Das war typisch für Britannien und erfüllte mich mit schmerzlicher Sehnsucht nach den endlosen, strahlenden, duftenden Sommertagen meiner Heimat.
    Julius Frontinus hatte mich mit Ausführungen über die auf lange Sicht geplante Erweiterung im Stadtbereich zu beeindrucken versucht. Laut ihm gab es einen Gesamtplan, nach dem das neue Forum, entsprechend dem Wachstum der Stadt und den Erwartungen, Stück für Stück errichtet werden sollte. Ich glaubte nicht daran. Während ich auf dieser verlassenen Hügelkuppe zwischen ungenützten Einrichtungen saß, fröstelnd und in trüber Stimmung, erschien es mir sinnlos, dass wir überhaupt hier waren. Wir Römer waren in der Hoffnung hergekommen, Edelmetall schürfen zu können; sobald sich unser Glaube an die Reichtümer Britanniens zerschlagen hatte, hätten wir abhauen sollen. Das schlimmste Vermächtnis der Stammesrebellion war, dass wir uns jetzt durch

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