Mord in Londinium
Schankkellnerin dort war, inkognito reingehen konnte.
»Jeder wird dich als Römer erkennen«, bemerkte Helena.
»Ich bin ein Meister der Tarnung.« Na ja, ich besaß zumindest eine schmuddelige Tunika und einen abgetragenen Mantel.
»Deine Haut ist olivfarben und dein Haarschnitt eindeutig römisch.« Meine wirren Locken verrieten nur, dass ich vergessen hatte, sie zu kämmen, aber im Prinzip hatte sie Recht. Meine Nase ist etruskisch. Ich habe die Haltung eines Mannes, der eine Legionärsausbildung hinter sich hat, und das Verhalten eines Städters. Ich bildete mir gerne ein, dass selbst in anderen Teilen des südländischen Imperiums meine Weltgewandtheit auffallen würde. Unter den hellhäutigen, blauäugigen, schluffigen keltischen Typen würde ich auffallen wie ein bunter Hund.
Helena wühlte inzwischen in ihrer eigenen Kleidertruhe. »Die rechnen bestimmt mit weiteren Beamten …« Ihre Stimme klang gedämpft, aber nicht genug, um die Aufregung darin zu überdecken. »Jeder römische Mann, der allein auftaucht, wird sich viel zu verdächtig machen.«
»Deswegen brauche ich Petro.«
»Vergiss ihn.« Kleidungsstücke wurden in alle Richtungen geworfen. »Mit Petronius siehst du nur wie ein Beamter aus, der Verstärkung mitgebracht hat. Vertrau mir«, rief Helena, richtete sich auf, zerrte ihr weißes Patrizierkleid raus und zog es über den Kopf. Ich war kurz versucht, sie sofort aufs Bett zu werfen. »Du brauchst eine Freundin, Marcus!«
Und ich hatte eine. Weitere Erklärungen waren nicht nötig. Zum Glück gab es Bedienstete, die sich um unsere Kinder kümmerten. Beflügelt von Erregung, kam ihre edle Mutter mit mir.
IX
»Direkt vom Schiff!«
»So sieht es aus.« Ich nahm Helenas Übermütigkeit gelassen hin. »Und riecht auch so!«, fügte ich hinzu, beugte den Kopf, um zu schnüffeln: Wäschefeuchtigkeit – und alles an Geruch von mir, was die Waschfrau in Noviomagus nicht weggekriegt hatte.
Meine Tunika war ein schweres, grob gewebtes Ding in dreckigem Rostrot – ein Kleidungsstück, das ich für eine Baustelle eingepackt hatte. Darüber trug ich einen Reisemantel mit spitzer Kapuze, der mir das Aussehen eines Waldgottes gab. Eines Gottes, der nicht sehr helle ist. Zusätzlich zu dem in meinem Stiefel verborgenen Dolch trug ich einen weiteren offen in einer Scheide an meinem Gürtel, neben meiner Geldbörse. Dazu ein vertrauensvoller Ausdruck, abgemildert durch verdrießliche Müdigkeit, und ich konnte als Tourist durchgehen. Reif dafür, von den Einheimischen übers Ohr gehauen zu werden.
Helena hatte ihren gesamten Schmuck abgelegt, bis auf den Silberring, den ich ihr mal geschenkt hatte. Stattdessen legte sie große, erstaunlich kitschige Ohrringe an. Falls das ein Geschenk eines ehemaligen Liebhabers war, hatte sie recht daran getan, das Schwein abzuservieren. Vermutlich waren die Dinger eher ein Geschenk von den Dienstboten ihrer Mutter. Helenas verhaltene Kleidung gehörte ihr selbst und hätte ihren Status verraten können, doch sie hatte das Kleid unbeholfen geschürzt und vollkommen ungraziös unter dem Busen befestigt. Sie sah aus, als besäße sie weder Sklavinnen, die sie ankleideten, noch einen Handspiegel und erst recht keinen Geschmack. Sie war nicht mehr sie selbst. Tja, für mich war das ein Spaß.
Damit mich niemand falsch versteht: Die Sache war töricht und gefährlich. Ich wusste das. Zwei Entschuldigungen, Legat: Erstens, Helena Justina, Tochter des Senators Camillus, war eine freie Frau. Wenn sie etwas tun wollte, konnte ich sie nicht davon abhalten, genau so wenig, wie ihr edler Vater es je gekonnt hatte. Zweitens, sie hatte Recht. Als Teil eines Paares würde ich viel weniger auffällig sein.
Hinzu kam, dass es uns beide zu Tode langweilte, die wohlerzogenen Gäste zu spielen. Wir brauchten dringend ein bisschen mehr Pep. Wir genossen gemeinsame Abenteuer – vor allem, wenn wir uns heimlich fortschlichen, ohne jemandem Bescheid zu sagen, und wenn wir wussten, dass die anderen sonst alle hysterisch protestiert hätten.
Wir schlüpften aus der Residenz. Unser Weggehen wurde bemerkt, aber als uns die Dienstboten genauer musterten, gingen wir einfach weiter. Es hatte keinen Sinn, sich Aelia Camillas Tragestuhl zu leihen. Das würde nur Aufmerksamkeit auf uns lenken. Wir konnten es zu Fuß schaffen. Alles in dieser Stadt lag in Fußentfernung.
Allmählich fand ich mich hier zurecht. Bewunderer von Hippodamos von Milet und dessen Vorliebe für gerade,
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