Mord in Londinium
vom Einschlagen der Barbarenköpfe abziehen musste. Es ergab keinen Sinn, die Armee in alle Richtungen zu zerstreuen, wenn hinter ihnen das Chaos herrschte. Das war verdammt gefährlich. Boudicca hatte uns nur zu deutlich das Risiko der Verdrossenheit in den hinteren Reihen gezeigt.
»Sie sind sehr still, Falco!«
Frontinus rief mich zu sich. Er sprach mit zwei der interessantesten Gäste, einem Glasbläser aus Syrien und einem Kaufmann, ebenfalls aus dem Osten, aus Palmyra.
»Bei Jupiter, Sie sind aber beide abenteuerlustig – sehr viel weiter hätten Sie im Imperium nicht reisen können!« Ich wusste, wie man sich wohl wollend gab, wenn ich mir die Mühe machte. Frontinus verzog sich und überließ mich den beiden. Er hatte ihre Geschichten vermutlich schon gehört. Dein Glasbläser war die Konkurrenz in den berühmten syrischen Werkstätten zu viel geworden; er hatte vor, sich in Londinium niederzulassen, ein paar Angestellte darin auszubilden, Röhren zu blasen und die vielfarbigen Glasstäbe abzuknipsen und damit die britannische Produktion einzuläuten. Da Glas so zerbrechlich ist, schien das ein besseres Vorhaben zu sein, als es über weite Strecken zu importieren. Zweifellos würde auch weiterhin Qualitätsware aus Tyrene hergebracht werden, aber dieser Mann schien sich eine Provinz gesucht zu haben, die Platz für einen neuen Gewerbezweig bieten konnte.
Der Importkaufmann reiste nur gerne, wie er mir erzählte. Ein paar Andeutungen brachten mich auf den Gedanken, dass er sich vielleicht Streitigkeiten entzogen hatte. Oder wegen einer persönlichen Tragödie einen neuen Anfang wagen wollte; zumindest war er alt genug, um zum Beispiel eine geliebte Frau verloren zu haben. Er fand Britannien exotisch und unverbraucht und war bereit, über jedes Gebrauchsgut zu verhandeln, für das eine Nachfrage bestand. Er hatte sogar ein Mädchen gefunden, eine Britin, und sie hatten vor, sich niederzulassen … Wenn meine Theorie stimmte, war er tatsächlich ein Romantiker im zweiten Stadium und hatte sich für neues Glück in einer veränderten Umgebung entschieden.
In einer anderen Situation wäre ich von diesen Reisenden aus weiter Ferne fasziniert gewesen, besonders von dem Mann aus Palmyra, wo ich zufällig auch schon mal gewesen war. Aber keiner der beiden schien diese Provinz in der Form, über die sich Silvanus beschwert hatte, »aussaugen« zu wollen. Sie hatten Wege für etwas Neues gefunden, und das sprach nur für sie. Sie stellten keine Bedrohung dar. Sie würden ihren Lebensunterhalt verdienen, gefragte Waren liefern und den Einheimischen willkommene Möglichkeiten bieten. Tatsache war, dass meine Fragen hier nicht beantwortet werden würden. Das war die falsche Art Männer, viel zu gesetzestreu. Wie üblich war es meine Aufgabe, mich in die schmutzigeren Niederungen der Menschheit zu begeben. Ich würde meine Übeltäter nicht finden, indem ich es mir beim Statthalter gemütlich machte. Gangster machten ihre Anwesenheit nie öffentlich bekannt.
Gut möglich, dass ich meine Zeit sowieso vergeudete. Wie schlimm es auch hinter dem Flussufer von Londinium zugehen mochte, es konnte für den Mord an Verovolcus irrelevant sein. Ich wusste nicht mal, ob Verovolcus irgendwelchen Schutzgelderpressern ins Gehege gekommen war. Das war nur so ein Gefühl.
Aelia Camilla verließ das Fest. Ihrem Mann machte sie nur ein Zeichen, dass sie sich zurückziehen wollte. Sie und Gaius waren Traditionalisten, teilten sich zweifellos ein Schlafzimmer. Später würden sie ihre Meinungen über das heutige Festmahl austauschen und über ihre Gäste sprechen. Sie hatten meine späte Ankunft wahrscheinlich bemerkt und würden darüber spekulieren, wo ich den ganzen Tag gewesen war.
Mit mir, jetzt einem angeheirateten Neffen, wechselte Aelia Camilla ein paar Worte und gab mir einen Gutenachtkuss auf die Wange. Ich erzählte ihr kurz von Helenas neuem Schützling (das erschien mir vernünftig; bis morgen konnte das Mädchen den Haushalt verwüstet haben).
Aelia Camilla verzog das Gesicht. Aber sie beschwerte sich nicht, blieb Helena gegenüber loyal. »Ich bin sicher, wir können damit umgehen.«
»Bitte, gib mir nicht die Schuld dafür.«
»Tja, du suchst doch ein neues Kindermädchen, Marcus.«
»Aber ich würde meine Kinder lieber jemandem in Obhut geben, der ein glückliches Leben kennen gelernt hat.«
»Dieses Mädchen mag auch eines gehabt haben«, widersprach Helenas Tante. »Wenn Helena Justina sie mag …«
Ich
Weitere Kostenlose Bücher