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Mord in Londinium

Titel: Mord in Londinium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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wäre einen Versuch wert: »Marius, alter Kumpel, hat Petronius dir irgendwas davon erzählt, was er vorhatte, bevor er verschwand?«
    »Nein, Onkel Marcus.«
    Der Junge ließ es überzeugend klingen. Als ich ihn scharf anschaute, sah er mir in die Augen. Aber selbst in Rom, einer Stadt voll mit den schlimmsten Trickbetrügern, war es der Didiusfamilie immer gelungen, eine besondere Sorte unschuldig schauender Lügner hervorzubringen.
    »Du wirst deinem Großvater immer ähnlicher«, bemerkte ich, um ihn wissen zu lassen, dass ich nicht darauf reinfiel.
    »Ich hoffe nicht!«, gab Marius schlagfertig zurück, tat wie ein Erwachsener.
    Wir wanderten ein paar Stunden herum, hatten aber kein Glück. Ich erfuhr, dass der Bäcker, dessen Laden abgebrannt war, Epaphroditus genannt wurde, aber falls jemand wusste, wo sich Epaphroditus versteckte, verriet er es mir nicht. Ich versuchte, mich nach dem Mord an Verovolcus zu erkundigen, aber die Leute taten so, als hätten sie nie davon gehört. Ich fand keinen Zeugen, der Verovolcus lebend in dieser Gegend gesehen hatte, niemand hatte ihn im ›Goldenen Regen‹ trinken sehen, niemand wusste, wer ihn ermordet hatte. Schließlich erwähnte ich (weil ich allmählich verzweifelt war), dass es möglicherweise eine Belohnung geben könnte. Das Schweigen hielt an. Offensichtlich hatte der Justizlegat in seinem Bürgerschaftsunterricht zu erklären vergessen, wie die römische Justiz funktionierte.
    Wir fanden einen Stand, der als Imbissbude durchgehen konnte, und genehmigten uns eine Pastete. Marius schaffte seine halb, dann half ich ihm mit dem Rest, denn ich war von gestern immer noch hungrig. Er hatte Fischsoße aus einem verkrusteten, für alle zugängliche Krug darüber geschüttet. Mit elf hätte ich dasselbe gemacht, also sagte ich nichts.
    »All diese Leute, mit denen du gesprochen hast, schienen ziemlich gesetzestreu und langweilig.« Die meisten meiner Neffen hatten einen trockenen Humor. »Man würde doch meinen, dass ein kopfüber in einen Brunnen gestopfter Mann mehr Aufsehen erregen würde.«
    »Vielleicht passieren hier mehr Morde als gewöhnlich, Marius.«
    »Tja, dann sollten wir vielleicht von hier verschwinden!«, erwiderte Marius grinsend. Unter meinen Neffen und Nichten galt ich als Spaßmacher, allerdings einer, dem eine gewisse Gefahr anhing. Sein Gesicht bewölkte sich. »Könnten wir in Schwierigkeiten kommen?«
    »Wenn wir jemanden verärgern. Man kann überall in Schwierigkeiten kommen, wenn man das tut.«
    »Woher sollen wir wissen, wie man das vermeidet?«
    »Indem man gesunden Menschenverstand benutzt, ruhig und höflich ist und hofft, dass die Einheimischen im Togafaltunterricht bei dem Teil über gutes Benehmen aufmerksam zugehört haben.«
    »Und sich immer einen Fluchtweg offen hält, wenn man einen geschlossenen Bereich betritt?«, meinte Marius.
    Ich hob die Augenbrauen. »Du scheinst Lucius Petronius gut zugehört zu haben.«
    »Ja.« Marius, der von Natur aus ruhig war, ließ einen Moment lang den Kopf hängen. Um vier kleine Kinder quer durch das Imperium zu ihrer Mutter zu bringen, musste Petro zur Sicherheit aller einen strikten Drill angewandt haben. In Maias Kindern hatte er bestimmt intelligente Zuhörer gefunden, begierig darauf, etwas zu lernen, wenn er es mit Armee- und Vigilesgeschichten verbrämte. »Mit Lucius Petronius konnte man gut zusammen sein. Er fehlt mir.«
    Ich wischte mir Mund und Kinn mit dem Handrücken ab, wo die stinkende Fischsoße aus seiner Pastete hingetropft war. »Mir auch, Marius.«

XIV
     
     
     
    Wir waren nicht die Einzigen, denen Petronius fehlte. Aus Rom war ein Brief für ihn gekommen.
    Flavius Hilaris hatte den Brief, und er machte den Fehler, ihn mir gegenüber zu erwähnen, als wir alle beim Mittagessen saßen. »Wenn jemand deinen Freund sieht, wäre es hilfreich zu erwähnen, dass ich diesen …«
    »Ist es ein Liebesbrief?«, wollte die junge Flavia wissen, ohne die leichte Unruhe zu bemerken, die sie mit dieser Frage auslöste. Bei Petronius gab es eine ganze Reihe von Frauen, die in diese Kategorie fielen. Die meisten waren längst Vergangenheit, soviel ich wusste. Viele waren zu leichtlebig, um zu korrespondieren: Einige konnten vermutlich weder schreiben noch lesen. Petronius hatte immer den Kniff rausgehabt, mit den Flatterhaften auf gutem Fuß zu bleiben, aber er wusste auch, wann er die Sache beenden musste. Seine Affären bedeuteten wenig, gingen ihren Gang und versandeten dann für

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