Mord in Londinium
ihr Leben so hart gewesen war, wie ich vermutete, war sie jung genug, um eine Chance zu verdienen, jung genug, um noch gerettet zu werden – wäre sie bei uns geblieben.
»Demnächst wird sie auf dem ganzen Forum bekannt sein, selbst wenn sie jetzt noch Jungfrau ist.«
»Traurig«, bemerkte ich. Er dachte, ich sei erschüttert. Und mir gefiel nicht, wie er mir nachsah, als ich die Straße hinunterging.
Ich hatte keinen Plan, wohin ich wollte, musste nur von dort wegkommen. Ich spürte, dass ich von zu vielen Augen beobachtet wurde, von Leuten aus Eingängen oder sogar Unsichtbaren.
Ich war drei Straßen weiter gegangen. Allmählich fiel mir auf, dass es in Londinium mehr Aktivitäten gab, als die meisten Römer erwartet hätten. All die üblichen Waren wurden hier verkauft. Die dunklen kleinen Läden waren tagsüber geöffnet, nur ging es darin gedämpfter zu, als ich es gewöhnt war. Käufer und Verkäufer hielten sich drinnen auf, wie immer; selbst wenn die Sonne so heiß brannte, dass ich nach fünfzig Schritten ins Schwitzen kam, vergaßen die Leute hier, dass sie auch draußen an der frischen Luft sitzen konnten. Ansonsten fühlte ich mich zu Hause. Die Rufe der Händler an den Marktständen, wo es Gemüse und traurig blickendes totes Wildbret zu kaufen gab, klangen schwungvoll und die Witze ihrer Frauen anstößig. Die Männer hätten ebenso gut Straßenhändler vom Gemüsemarkt am Tiberufer nahe des Tempels der Hoffnung sein können. Der Gestank von Fischschuppen ist überall gleich. Geht man durch frisch gespülte Metzgergassen, hängt einem der schwache Geruch nach Tierblut den ganzen Tag an den Stiefeln. Kommt man dann an einem Käsestand vorbei, wird einen der warme, köstliche Duft zurücklocken, um ein Stück zu kaufen – bis man von diesen bemerkenswert billigen Gürteln am Stand nebenan abgelenkt wird, die auseinander fallen, wenn man nach Hause kommt …
Ich kehrte den Gürteln schließlich den Rücken zu (da ich mich selbst tot nicht in ziegelrotem Leder erwischen lassen würde). Nachdem ich in einen Laden voll mit durcheinander gewürfelten Haushaltswaren gestolpert war, überlegte ich, wie ich es schaffen sollte, zehn herrlich gearbeitete, aber schwere schwarze Keramikschüsseln nach Hause zu transportieren. Obwohl mir der freundliche Ladenbesitzer einen großzügigen Preisnachlass anbot, lehnte ich ab und begann ein paar interessante Stränge haariger Schnur zu inspizieren. Man kann nie genug haarige Schnur zu Hause haben, und der Ladenbesitzer versicherte mir, es sei bestes Ziegenhaar, sauber gedreht und spottbillig wegen Überproduktion auf dem Ziegenhaarschnurmarkt. Mir gefiel dieses verlockende Haushaltswarenemporium, wo ich als Nächstes eine urkomische Öllampe entdeckte. Rechts und links neben dem Dochtloch knieten nackte junge Damen, die über ihre Schultern schauten, um die Größe ihrer Popos zu vergleichen …
Leider konnte ich nicht länger verweilen. Ich schaute zufällig aus der Tür und sah die beiden Geldeintreiber am Laden vorbeischlendern.
Der freundliche Verkäufer folgte meinem Blick, daher murmelte ich: »Kennen Sie die beiden?«
»Spleiß und Pyro.«
»Wissen Sie, was die machen?«
Er lächelte düster. Pyro legte offensichtlich die Feuer, während Spleiß eine schmerzhaftere Spezialität haben musste, über die ich nicht spekulieren wollte.
Rasch schlüpfte ich aus dem Laden und folgte ihnen. Ermittler lernen, sich nicht mit Einkäufen zu beladen, falls solche Notfälle auftreten.
Ich hielt mich zurück, während das Paar unbesorgt weiterging. Ich hatte sie sofort erkannt: Spleiß, der kleinere, kräftig Gebaute, der vermutlich das Reden und die Brutalität übernahm, und sein schlankerer Kumpel Pyro, der Wache hielt und mit dem Feuer spielte. Spleiß hatte ein eckiges Gesicht mit zwei faszinierenden alten Narben; Pyro zierten dreckige Bartstoppeln und ein Gesprenkel an Warzen. Ein Barbier, der wusste, wie man mit der Schere umging, hatte ihnen hübsche römische Haarschnitte verpasst. Beide hatten muskulöse Beine und Arme, die einiges an hässlichen Taten gesehen haben mussten. Keiner von beiden sah wie ein Mann aus, mit dem man sich über das Ergebnis eines Wagenrennens streiten würde.
Während ich sie von hinten beobachtete, konnte ich sie anhand ihres Ganges einschätzen. Sie waren selbstsicher. Gingen gemächlich, trödelten aber nicht. Eine Ausbeulung in Pyros Tunika ließ darauf schließen, dass er Beute mit sich trug. Ein oder zwei Mal sprachen
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