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Mord in Londinium

Titel: Mord in Londinium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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meiner Ferse entstanden.
    Während ich dort stand, dachte ich über eine Komplikation nach: Petronius. Hätte ich allein gearbeitet, wäre ich in die Residenz des Prokurators zurückgekehrt, hätte einen Trupp Soldaten angefordert, um Spleiß und Pyro zu verhaften und ihre Basis zu durchsuchen. Dann hätte ich die Verbrecher so lange unter Verschluss gehalten, bis einige ihrer Opfer beruhigt genug waren und ausgesagt hätten. Die Foltertruppe des Statthalters, seine groben Quaestiones, hätten derweilen mit den Geldeintreibern spielen und ihre hässlichsten Instrumente als Druckmittel einsetzen können. Die Verhörspezialisten, die sich hier zu Tode langweilen mussten, waren in Beharrlichkeit geübt. Wenn Spleiß und Pyro genug Schmerz gespürt und ihre Isolation als zu schrecklich empfunden hätten, dann hätten sie vielleicht sogar den Namen des Mannes herausgebrüllt, der sie bezahlte.
    Das schien eine gute Lösung zu sein. Aber ich hörte immer noch die knappen Worte von Petronius: Lass es sein, sonst bin ich ein toter Mann.
    Was auch immer er machte, wir hatten uns geirrt, ihn des Tändelns oder der Sauferei zu verdächtigen. Er arbeitete, der verschlagene Heuchler. War zur Tarnung irgendwo untergekrochen. Aber an was arbeitete er? Der Verovolcus-Fall hatte ihn sichtlich interessiert, obwohl ich nicht sehen konnte, wieso; die Sache stellte auch mich vor ein Rätsel, aber ich verfolgte sie nur aus Loyalität gegenüber Hilaris, Frontinus und dem alten König. Derartige Bindungen hatte Petronius Longus nicht. Ich hatte keine Ahnung, warum sich Petro damit befassen sollte. Aber falls er diese beiden Schläger beobachtete, würde ich nichts gegen sie unternehmen, bevor ich mich mit ihm abgesprochen hatte. Das war eine Regel unserer Freundschaft.
    Ich kaute immer noch an dem Problem herum, als eine Passantin, die nichts von dem örtlichen Respektbezeugungssystem wusste, herangetrippelt kam: meine Schwester Maia. Was machte die denn hier? Nichts ahnend spazierte sie an den beiden Geldeintreibern auf der Straßenseite des »Ganymed« vorbei. Was bedeutet, dass ich sie nicht warnen oder fragen konnte, was sie hier wollte. Um unauffällig zu bleiben, konnte ich nur zuschauen.
    Maia sah umwerfend aus, aber sie war in Rom aufgewachsen. Sie wusste, wie man sicher durch Straßen voll anrüchiger Gestalten kam. Ihr Gang war ruhig und zielbewusst, und obwohl sie kurz in jeden Laden und jedes Lokal schaute, sah sie niemandem in die Augen. Mit dem langen Schleier über ihrem Kopf und Körper hatte sie ihren persönlichen Stil verborgen und war zu einer nicht weiter bemerkenswerten Person geworden. Ein Mann beugte sich über ein Geländer und sagte etwas zu ihr, als sie vorbeiging – irgendein Schafskopf, der es aus Prinzip bei allem versuchen würde, das eine Stola trug –, aber während ich die Fäuste ballte, wurde der Möchtegern mit einem so vernichtenden Blick bedacht, das er zurückzuckte. Ihm war sicherlich klar, dass er hier auf stolze römische Weiblichkeit gestoßen war.
    Allerdings konnte die selbstbeherrschte Geringschätzung meiner Schwester ebenfalls Aufmerksamkeit erregen. Einer der Männer bei Spleiß und Pyro stand auf. Sofort sagte Pyro etwas zu ihm, und er setzte sich wieder. Maia war inzwischen am ›Ganymed‹ vorbei.
    Netter Gedanke: dass die Geldeintreiber aus Edelmut Rücksicht auf Frauen nahmen! Aber sie ließen Frauen nur in Ruhe, um keine falsche öffentliche Aufmerksamkeit zu wecken. Banden, die mit Furcht arbeiten, begreifen, wenn sie gescheit sind, dass in den Straßen das normale Leben ungehindert fließen muss. Manche gehen sogar so weit, einen bekannten Vergewaltiger zusammenzuschlagen oder einem jugendlichen Einbrecher zu drohen, als Zeichen dafür, dass sie die Ordnung verkörpern, Männer, die sich und die ihren beschützen. Das soll darauf hindeuten, dass sie die einzige Ordnungskraft sind. Weil sich dann die Menschen, die von ihnen bedroht werden, an niemand anderen um Hilfe wenden können.
    Die beiden hatten ihr Mittagessen beendet. Sie standen auf und gingen. Soweit ich erkennen konnte, wurde ihnen keine Rechnung gebracht. Und keiner von beiden ließ Geld auf dem Tisch zurück.
    Ich folgte ihnen während des ersten Teils des Nachmittags. Sie gingen von einem Ort zum anderen, als wären sie Wahlkandidaten, sprachen oft nicht mal mit den Menschen, zeigten nur ihre Anwesenheit. Sie schienen kein Geld einzutreiben. Das ließ sich wohl besser nach Einbruch der Dunkelheit machen. Dann war es

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